Schlafender Tiger. Großdruck.
paar Einwürfe wie „O bitte, lassen Sie mich alles erklären“ oder „Könnten Sie nicht englisch sprechen, damit ich Sie verstehe?“, doch keiner der beiden schenkte ihr auch nur die geringste Aufmerksamkeit.
Schließlich wurde der Streit durch die Ankunft eines dicken Deutschen unterbrochen, der ein Bier haben wollte. Während Rodolfo hinter die Bar ging, um ihn zu bedienen, nahm Selina die Gelegenheit wahr und zog George am Ärmel. „Was ist los? Sagen Sie mir, was los ist!“
„Rodolfo ist wütend, weil Sie sagten, Sie würden in der Casa Barco warten, und zwar zusammen mit dem Taxifahrer. Er mag keine Taxifahrer, die in seiner Bar herumsitzen und sich mit Bier vollschütten, und diesen scheint er ganz besonders wenig zu schätzen.“
„Oh.“
„Ja, oh.“
„Ist das alles?“
„Nein, natürlich nicht. Um den Mann loszuwerden, hat Rodolfo ihn schließlich bezahlt. Und jetzt sagt er, ich schulde ihm sechshundert Peseten, und kriegt kalte Füße, weil er glaubt, ich wäre nicht in der Lage, sie ihm zurückzuzahlen.“
„Aber ich zahle sie ihm zurück, ich verspreche es.“
„Das ist nicht der Punkt. Er will sie jetzt.“
Der dicke Deutsche, der die gespannte Atmosphäre spürte, trug sein Bier nach draußen. Kaum war er weg, fingen George und Rodolfo wieder an, doch Selina stellte sich zwischen sie.
„Bitte, Mr..., ich meine, Rodolfo. Es ist alles meine Schuld. Ich werde dafür sorgen, daß Sie Ihr Geld zurück bekommen. Aber verstehen Sie, mir ist mein ganzes Geld gestohlen worden...“
Das hatte Rodolfo schon gehört. „Sie sagten, Sie würden in der Casa Barco warten. Mit dem Taxifahrer.“
„Ich wußte ja nicht, daß er so lange hierbleiben würde.“
„Und du“, wandte sich Rodolfo wieder an George. „Wo warst du überhaupt? Einfach nach San Antonio zu fahren und nicht zurückzukommen, und niemand weiß, wo du bist...“
„Was zum Teufel geht dich das an? Wohin ich fahre und was ich tue, ist ganz allein meine Sache.“
„Es geht mich schon etwas an, wenn ich deine Rechnungen bezahlen muß.“
„Niemand hat von dir verlangt, daß du zahlst. Außerdem war es nicht meine Rechnung. Und du hast alles vermasselt, denn jetzt kommt die Señorita nicht nach San Antonio zurück.“
„Dann fahr sie doch selber!“
„Den Teufel werd ich tun!“ schrie George, stürmte aus der Bar, lief die Treppe hinunter und stieg in sein Auto.
„Und was ist mit mir?“ rief Selina ihm nach.
„Nun, kommen Sie mit, oder wollen Sie hierbleiben?“ fragte er und sah sie an.
„Ich möchte nicht hierbleiben.“
„Dann kommen Sie.“
Es gab keine Alternative. Das halbe Dorf und sämtliche Gäste Rodolfos schienen die Szene zu genießen. George öffnete die Beifahrertür, und Selina stieg ein.
Genau in diesem Augenblick, wie auf Befehl irgendeines himmlischen Regisseurs, brach das Unwetter los.
Ein Blitz zerriß den Himmel, es donnerte, und ein plötzlicher Wind ließ die Pinien erzittern. Die Tischdecken auf der Terrasse des Hotels wehten wie schlecht gesetzte Segel, ein Hut flog von dem Ständer vor Marias Laden und rollte wie ein rosafarbenes Rad die Hauptstraße entlang. Staub wirbelte auf, und nach dem Wind kam der Regen in so großen, schweren Tropfen, daß die Rinnsteine in Sekunden überflutet waren.
Alles rannte nach drinnen, Rodolfos Gäste, die plaudernden Frauen, die spielenden Kinder, die beiden Straßenarbeiter. Es herrschte eine Katastrophenstimmung, als wäre eine Luftschutzsirene losgegangen. Innerhalb kürzester Zeit war der Platz wie leergefegt, bis auf Selina und George und Georges kleines Auto.
Selina wollte aussteigen, doch George hatte den Motor bereits angelassen und hielt sie zurück.
„Können wir uns nicht unterstellen?“ fragte sie.
„Wozu?
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