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Schlafender Tiger. Großdruck.

Schlafender Tiger. Großdruck.

Titel: Schlafender Tiger. Großdruck. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rosamunde Pilcher
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Ge­or­ge Dyer zu ger­ne ge­fragt, ob er die gel­ben Rä­der selbst an­ge­malt hät­te, doch ir­gend­wie trau­te sie sich nicht.
    Nach­dem sie ein­ge­stie­gen wa­ren, leg­te er ihr den Man­tel auf den Schoß, ließ den Mo­tor an, schal­te­te und wen­de­te den Wa­gen in meh­re­ren haar­sträu­ben­den Vor- und Rück­wärts­ma­nö­vern. Ei­ne Ka­ta­stro­phe schi­en un­ver­meid­lich. Ein­mal wa­ren sie kurz da­vor, ei­ne Mau­er zu ram­men. Im nächs­ten Mo­ment hin­gen sie mit den Hin­ter­rä­dern knapp über ei­ner stei­len Trep­pe. Se­li­na schloß die Au­gen. Als der Wa­gen schließ­lich den Hü­gel hin­auf­schoß, roch es ent­setz­lich nach Aus­puff­ga­sen, und von ir­gend­wo­her un­ter ih­ren Fü­ßen ka­men selt­sa­me Klopf­ge­räusche. Die Sit­ze hin­gen durch und wa­ren voll­kom­men durch­lö­chert, und der Bo­den, der be­reits vor Jah­ren sei­nen Tep­pich­be­lag ein­ge­büßt hat­te, glich ei­ner Müll­ton­ne. In Ge­or­ges In­ter­es­se hoff­te Se­li­na, daß sei­ne Yacht tüch­ti­ger war als die­ses Ge­fährt.
    Aber trotz al­le­dem mach­te es un­ge­heu­ren Spaß, in Ge­or­ge Dyers Au­to durch Ca­la Fu­er­te zu fah­ren. Die Kin­der lach­ten laut, wink­ten und rie­fen ih­nen fröh­lich et­was zu. Die Frau­en, die in den Gär­ten sa­ßen oder vor ih­ren Tü­ren mit­ein­an­der plau­der­ten, dreh­ten sich lä­chelnd um und grüß­ten freund­lich. Die Män­ner, die von der Ar­beit nach Hau­se gin­gen, blie­ben ste­hen, um sie vor­bei­zu­las­sen, und rie­fen ir­gend et­was Lus­ti­ges auf spa­nisch, das Se­li­na nicht ver­stand.
    „Was sa­gen sie?“
    „Sie wol­len wis­sen, wo ich mei­ne neue Seño­ri­ta ge­fun­den ha­be.“
    „Ist das al­les?“
    „Ist das nicht ge­nug?“
    Sie er­reich­ten schwung­voll das Ca­la Fu­er­te-Ho­tel und hiel­ten so plötz­lich an, daß ei­ne wei­ße Staub­wol­ke un­ter ih­ren Rä­dern auf­stieg und sich über die Ti­sche und die Drinks der Gäs­te leg­te, die auf Ro­dol­fos Ter­ras­se sa­ßen, um sich den ers­ten Ape­ri­tif des Abends zu gön­nen. „Frech­heit“, schimpf­te je­mand auf eng­lisch, doch Ge­or­ge Dyer igno­ri­er­te ihn, stieg aus dem Wa­gen, oh­ne erst die Tür zu öff­nen, und ging die Stu­fen zur Ter­ras­se hoch und durch den Per­len­vor­hang. Se­li­na folg­te ihm.
    „Ro­dol­fo!“
    Ro­dol­fo stand hin­ter der Bar. Auf spa­nisch sag­te er: „Du brauchst nicht so zu schrei­en.“
    „Ro­dol­fo, wo ist der Ta­xi­fah­rer?“
    Ro­dol­fo lä­chel­te nicht. Er goß ein paar Glä­ser voll und be­merk­te: „Der Ta­xi­fah­rer ist weg.“
    „Weg? Woll­te er nicht sein Geld ha­ben?“
    „Doch, das woll­te er. Sechs­hun­dert Pe­se­ten.“
    „Wer hat ihn be­zahlt?“
    „Ich“, er­wi­der­te Ro­dol­fo. „Und ich möch­te mit dir re­den. Wenn ich mei­ne Gäs­te be­dient ha­be.“
    Er trat hin­ter sei­ner Bar her­vor, ging wort­los an ih­nen vor­bei und ver­schwand durch den Per­len­vor­hang. Se­li­na starr­te Ge­or­ge an. „Ist er wü­tend?“
    „Ich schät­ze, er ist über ir­gend et­was ver­stimmt.“
    „Wo ist To­ni?“
    „Er ist weg. Ro­dol­fo hat ihn be­zahlt.“
    Es dau­er­te ein paar Se­kun­den, bis Se­li­na die Be­deu­tung die­ser In­for­ma­ti­on klar wur­de. „Aber wenn er weg ist, wie soll ich dann nach San An­to­nio kom­men?“
    „Weiß der Him­mel.“
    „Sie müs­sen mich fah­ren.“
    „Ich fah­re heu­te abend nicht mehr nach San An­to­nio, und selbst wenn ich es tä­te, könn­ten wir Ih­nen im­mer noch kein Ticket kau­fen.“
    Se­li­na biß sich auf die Lip­pen. „Ro­dol­fo schi­en vor­hin so nett zu sein.“
    „Wie wir al­le hat auch er zwei Sei­ten.“
    Der Per­len­vor­hang klirr­te, und Ro­dol­fo kehr­te zu­rück.
    Er stell­te sein lee­res Ta­blett ab und be­gann auf spa­nisch auf Ge­or­ge ein­zu­re­den, was wahr­schein­lich gut war, denn die Aus­drücke, die er be­nutz­te, wa­ren mit Si­cher­heit nicht für die Oh­ren ei­ner wohl­er­zo­ge­nen eng­li­schen Seño­ri­ta be­stimmt. Ge­or­ge ver­tei­dig­te sich tem­pe­ra­ment­voll. Als ih­re Stim­men im­mer lau­ter wur­den, wag­te Se­li­na, der klar war, daß sie der Grund für die­se Aus­ein­an­der­set­zung war, ein

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