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Schlafender Tiger. Großdruck.

Schlafender Tiger. Großdruck.

Titel: Schlafender Tiger. Großdruck. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rosamunde Pilcher
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„Es war, als ich in Brad­der­ford leb­te. Ih­re El­tern wa­ren aus Brad­der­ford, sehr reich, sehr freund­lich, aus ei­ge­ner Kraft auf­ge­stie­gen. Das Salz der Er­de, o ja. Der Va­ter fuhr einen Bent­ley, die Mut­ter einen Ja­gu­ar, und Jen­ny hat­te ein Jagd­pferd, das un­ge­fähr drei Me­ter groß war, und einen äu­ßerst prak­ti­schen voll au­to­ma­ti­schen Pfer­de­trans­por­ter, und sie fuh­ren im­mer zum Ski­lau­fen nach Sankt Mo­ritz und im Som­mer nach For­men­te­ra und zum Mu­sik­fes­ti­val von Leeds, weil sie glaub­ten, man er­war­te es von ih­nen.“
    „Ich weiß nicht, ob Sie freund­lich oder grau­sam sind.“
    „Das weiß ich auch nicht.“
    „Aber warum hat sie die Ver­lo­bung ge­löst?“
    „Das hat sie nicht. Ich tat es. Zwei Wo­chen vor der größ­ten Hoch­zeit, die Brad­der­ford je er­lebt hät­te. Mo­na­te­lang kam ich nicht an Jen­ny her­an vor lau­ter Braut­jung­fern und Aus­steu­er und Me­nü­lie­fe­ran­ten und Fo­to­gra­fen und Hoch­zeits­ge­schen­ken. Du lie­ber Him­mel, die­se Hoch­zeits­ge­schen­ke! Sie wuch­sen lang­sam zu ei­ner Mau­er zwi­schen uns, so daß ich ihr nicht mehr na­he­kam. Und als mir klar wur­de, daß ihr die­se Mau­er nicht das ge­rings­te aus­mach­te, daß sie nicht ein­mal wuß­te, daß sie da war... Nun, ich hat­te nie be­son­ders viel Selbst­ach­tung be­ses­sen, aber das biß­chen, was ich hat­te, woll­te ich auch be­hal­ten.“
    „Ha­ben Sie ihr ge­sagt, daß Sie sie nicht hei­ra­ten wür­den?“
    „Ja. Ich sag­te es zu­erst Jen­ny und dann ih­ren El­tern. Und das al­les in ei­nem Raum, der mit Kis­ten, Schach­teln, Sei­den­pa­pier, sil­ber­nen Ker­zen­hal­tern, Sa­lat­schüs­seln, Tee­ser­vi­cen und Hun­der­ten von Toas­tern an­ge­füllt war. Es war grau­sam. Ent­setz­lich.“ Er schüt­tel­te sich. „Ich fühl­te mich wie ein Mör­der.“
    Se­li­na dach­te an die neue Woh­nung, an die Tep­pi­che und Chintz­stof­fe, an das Ri­tu­al mit dem wei­ßen Kleid und der kirch­li­chen Trau­ung und an Mr. Ar­thur­sto­ne als Braut­füh­rer. Plötz­lich spür­te sie so et­was wie Pa­nik, als hät­te sie ir­gend­wo die falsche Ab­zwei­gung ge­nom­men und da­hin­ter lä­ge nichts als Un­heil und na­men­lo­se Furcht. Sie woll­te auf­sprin­gen, flüch­ten, weg­lau­fen von al­lem, wo­zu sie sich je­mals ver­pflich­tet hat­te.
    „War... war das, als Sie Brad­der­ford ver­lie­ßen?“
    „Ma­chen Sie nicht so ein ent­setz­tes Ge­sicht. Nein, ich hat­te noch zwei Jah­re zu ab­sol­vie­ren. Ich ver­brach­te sie als per­so­na non gra­ta für die Müt­ter der De­bü­tan­tin­nen und wur­de von al­len mög­li­chen Leu­ten ge­schnit­ten, von de­nen ich es nicht er­war­tet hat­te. Es war ir­gend­wie in­ter­essant zu ent­de­cken, wer mei­ne wah­ren Freun­de wa­ren...“ Er stütz­te sei­ne Ell­bo­gen auf den Rand des Vor­decks. „Aber all das trägt nicht da­zu bei, Ihr feh­ler­frei­es ka­sti­li­sches Spa­nisch zu ver­bes­sern. Ver­su­chen Sie, ob Sie das Prä­sens von ha­b­lar kon­ju­gie­ren kön­nen.“
    „Ha­blo“, be­gann Se­li­na. „Ich spre­che. Us­ted ha­bla, Sie spre­chen. Ha­ben Sie sie ge­liebt?“
    Ge­or­ge hob plötz­lich den Blick, doch sie sah kei­ne Wut in sei­nen Au­gen, son­dern nur Schmerz. Sanft leg­te er die Hand auf die of­fe­ne Sei­te der spa­ni­schen Gram­ma­tik. „Oh­ne hin­zu­se­hen“, sag­te er. „Sie dür­fen nicht schum­meln.“
     
    Der Ci­tro­en er­reich­te Ca­la Fu­er­te zur hei­ßes­ten Zeit des Ta­ges. Die Son­ne brann­te an ei­nem wol­ken­lo­sen blau­en Him­mel, färb­te die Schat­ten schwarz und den Staub und die Häu­ser schnee­weiß. Das Dorf wirk­te wie aus­ge­stor­ben, sämt­li­che Fens­ter­lä­den wa­ren ge­schlos­sen. Als Fran­ces vor dem Ca­la Fu­er­te-Ho­tel hielt und den Mo­tor ab­stell­te, herrsch­te Stil­le, nur das Ra­scheln der Pi­ni­en, die sich im kaum spür­ba­ren Wind be­weg­ten, war zu hö­ren.
    Sie stieg aus, schlug die Au­to­tür zu, ging die Stu­fen zum Ho­tel hoch und be­trat durch den Per­len­vor­hang Ro­dol­fos Bar. Nach der grel­len Son­ne brauch­ten ih­re Au­gen einen Mo­ment, um sich an die Dun­kel­heit zu ge­wöh­nen. Ro­dol­fo, der auf

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