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Schlafender Tiger. Großdruck.

Schlafender Tiger. Großdruck.

Titel: Schlafender Tiger. Großdruck. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rosamunde Pilcher
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durchs Was­ser glitt, oh­ne einen Sprit­zer zu ver­ur­sa­chen, wo­bei ihr lan­ges Haar sich aus­brei­te­te wie ei­ne wun­der­schö­ne See­gras­art.
    Zit­ternd vor Käl­te klet­ter­te sie schließ­lich wie­der an Bord. Er warf ihr das Ba­de­tuch zu, ging in die Kom­bü­se und kehr­te mit ei­ner Schei­be Brot mit Jua­ni­tas Zie­gen­kä­se zu­rück. Se­li­na hat­te sich in­zwi­schen wie­der aufs Vor­deck ge­setzt und rieb sich das Haar tro­cken. Ir­gend­wie er­in­ner­te sie ihn an Pearl. Als er ihr das Brot reich­te, sag­te sie: „In Frin­ton gab es im­mer ein Ing­wer­plätz­chen. Agnes nann­te sie Zit­ter­bis­sen.“
    „Das sieht ihr ähn­lich.“
    „So et­was müs­sen Sie nicht sa­gen. Sie ken­nen sie doch gar nicht.“
    „Ent­schul­di­gung.“
    „Sie wür­den sie wahr­schein­lich mö­gen. Sie sind sich in vie­lem ähn­lich. Agnes sieht im­mer sehr bö­se aus, aber das hat gar nichts zu be­deu­ten. Hun­de, die bel­len, bei­ßen nicht.“
    „Vie­len Dank.“
    „Das ist als Kom­pli­ment ge­meint. Ich mag Agnes sehr.“
    „Wenn ich stri­cken ler­ne, mö­gen Sie mich viel­leicht auch.“
    „Ist noch Brot da? Ich ha­be im­mer noch Hun­ger.
    Er ging ein zwei­tes Mal nach un­ten, und als er zu­rück­kam, lag sie wie­der auf dem Bauch, das auf­ge­schla­ge­ne Gram­ma­tik­buch vor sich. „Yo - ich“, las sie vor, „tu - du, Us­tet - Sie.“
    „Nicht Us­tet, son­dern Us­ted", kor­ri­gier­te er sie.
    „Us­ted“, wie­der­hol­te sie folg­sam und nahm sich ei­ne Schei­be Brot. „Wis­sen Sie, es ist ko­misch... ob­wohl Sie so­viel über mich wis­sen - ich muß­te es Ih­nen na­tür­lich er­zäh­len, weil ich dach­te, Sie sind mein Va­ter -, weiß ich ei­gent­lich über­haupt nichts über Sie.“
    Da er kei­ne Ant­wort gab, dreh­te sie sich zu ihm um. Er stand im Cock­pit, sein Kopf auf glei­cher Hö­he mit ih­rem, und höchs­tens fünf­zig Zen­ti­me­ter von ihr ent­fernt, doch er sah sie nicht an, son­dern be­ob­ach­te­te ei­nes der Fi­scher­boo­te, die in dem kla­ren blau­grü­nen Was­ser aus dem Ha­fen ka­men, und al­les was Se­li­na er­ken­nen konn­te, war die brau­ne Li­nie von Stirn, Wan­gen und Kinn. Er dreh­te sich nicht ein­mal um, als er nach ei­ni­ger Zeit sag­te: „Nein, ver­mut­lich nicht.“
    „Und ich hat­te recht, nicht wahr? Fies­ta in Ca­la Fu­er­te han­delt nicht von Ih­nen. Sie kom­men in dem Buch so gut wie gar nicht vor.“
    Das Fi­scher­boot bahn­te sich zwi­schen den Mar­kie­run­gen der Fahr­rin­ne sei­nen Weg. „Was möch­ten Sie denn so un­be­dingt gern wis­sen?“ frag­te Ge­or­ge.
    „Nichts.“ Sie wünsch­te sich schon, sie hät­te nie­mals von dem The­ma an­ge­fan­gen. „Nichts Be­son­de­res.“ Sie knick­te ein Eselsohr in die Gram­ma­tik und strich die Sei­te dann schnell wie­der glatt. „Ich neh­me an, ich bin nur neu­gie­rig. Rod­ney, mein An­walt - ich hab Ih­nen von ihm er­zählt -, er war es, der mir Ihr Buch ge­ge­ben hat. Und als ich ihm sag­te, ich glau­be, Sie sei­en mein Va­ter und ich wol­le nach Ih­nen su­chen, da hat er geant­wor­tet, schla­fen­de Hun­de sol­le man nicht we­cken.“
    „Das klingt für einen An­walt ja äu­ßerst phan­ta­sie­voll.“ Das Fi­scher­boot fuhr jetzt an ih­nen vor­bei ins tie­fe Was­ser, be­schleu­nig­te und nahm Rich­tung auf das of­fe­ne Meer. „Mit den schla­fen­den Hun­den mein­te er mich?“
    „Na ja, nicht di­rekt, wür­de ich sa­gen.“ Ge­or­ge hat wirk­lich nichts von ei­nem Hund, dach­te Se­li­na. Viel eher glich er ei­nem schla­fen­den Ti­ger. „Er woll­te nur ver­hin­dern, daß ich einen Hau­fen Pro­ble­me her­auf­be­schwö­re.“
    „Sie ha­ben sei­nen Rat nicht be­folgt.“
    „Nein, ich weiß.“
    „Was ver­su­chen Sie mir zu sa­gen?“
    „Wahr­schein­lich nur, daß ich von Na­tur aus neu­gie­rig bin. Schon gut, ich woll­te Sie nicht ver­hö­ren.“
    „Ich ha­be nichts zu ver­ber­gen.“
    „Ich weiß gern et­was über an­de­re Men­schen. Über ih­re Fa­mi­lie, ih­re El­tern.“
    „Mein Va­ter ist neun­zehn­hun­dert­vier­zig ge­fal­len.“
    „Ihr Va­ter ist auch ge­fal­len?“
    „Sein Zer­stö­rer wur­de im At­lan­tik von ei­nem U-Boot tor­pe­diert.“
    „War er bei der Ma­ri­ne?“

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