Schlafender Tiger. Großdruck.
und eine hautenge weiße Segeltuchhose. Die Schuhe hatte sie ausgezogen, und ihre Füße waren dunkelbraun und staubig, die Nägel knallrot lackiert. Sie machte keinerlei Anstalten sich aufzusetzen, geschweige denn aufzustehen, sondern blieb einfach liegen und betrachtete George mit einem süffisanten Lächeln.
„Ist das nicht eine nette Überraschung?“ Sie sah an George vorbei und entdeckte Selina. „Hallo.“
Selina lächelte schwach. „Hallo.“
George stellte den Korb hin. „Was machst du denn hier?“
„Nun, San Antonio ist heiß, voll und laut, und da dachte ich, ich nehme mir ein paar Tage frei.“
„Du bleibst hier?“
„Rodolfo sagte, er hätte ein Zimmer für mich.“
„Du warst bei Rodolfo?“
„Ja, ich habe auf dem Weg hierher etwas mit ihm getrunken.“ Sie beobachtete ihn mit einem boshaften Glitzern in den Augen, wohl wissend, daß er sich jetzt fragte, wieviel Rodolfo ihr verraten hatte.
George setzte sich auf den Tischrand. „Hat Rodolfo dir erzählt, daß Selina bei mir ist?“
„Aber sicher hat er mir das erzählt.“ Sie lächelte Selina an. „Wissen Sie, Sie sind die größte Überraschung meines Lebens. George, willst du uns nicht miteinander bekannt machen?“
„Entschuldige. Selina, das ist Mrs. Dongen...“
„Frances“, verbesserte ihn Frances schnell.
„Und das ist Selina Bruce.“
Selina trat vor und streckte die Hand aus, doch Frances ignorierte sie und fragte statt dessen: „Sie sind zu Besuch hier?“
„Ja, ich bin...“
„George, du hast mir nie erzählt, daß du eine Tochter hast.“
„Sie ist nicht meine Tochter.“
Frances verzog keine Miene. Sie setzte sich aufrecht hin und nahm ihre Füße vom Tisch. „Willst du damit sagen, daß...“
„Einen Moment. Selina...“ Sie drehte sich zu ihm um, und er sah, daß sie verwirrt und verlegen und wahrscheinlich auch etwas verletzt war. „Würde es Ihnen etwas ausmachen, mich kurz mit Frances allein zu lassen?“
„Nein. Nein, natürlich nicht.“ Sie versuchte zu lächeln, ihnen zu zeigen, daß es ihr nicht das geringste ausmachte, und legte hastig die spanische Grammatik und das Handtuch auf den Tisch, als wollte sie sich von diesen Lasten befreien, bevor sie so schnell wie möglich von hier verschwand.
„Nur für fünf Minuten...“ sagte George.
„Ich werde zum Anleger hinuntergehen, dort ist es schön kühl.“
„Tun Sie das.“
Kaum hatte sie die Terrasse verlassen, da erhob sich Pearl, die auf der Brüstung gesessen hatte, streckte sich und folgte Selina. George drehte sich wieder zu Frances um. „Sie ist nicht meine Tochter“, wiederholte er.
„Nun, wer zum Teufel ist sie dann?“
„Sie ist aus London und hat mich aus heiterem Himmel aufgesucht, weil sie dachte, ich wäre ihr Vater.“
„Wie kommt sie denn darauf?“
„Wegen des Fotos auf meinem Buch.“
„Siehst du etwa wie ihr Vater aus?“
„Ja, das tue ich. Er war sogar ein entfernter Verwandter von mir, aber das tut jetzt nichts zur Sache. Er lebt nicht mehr. Er fiel vor Jahren im Krieg.“
„Sie hat doch nicht ernsthaft geglaubt, er wäre wieder lebendig geworden, oder?“
„Ich nehme an, wenn man sich etwas ganz stark wünscht, glaubt man an Wunder.“
„Rodolfo hat mir geschworen, daß sie deine Tochter ist.“
„Ja, ich weiß. Das Gerücht ging sofort im Dorf herum, und um ihretwillen habe ich es nicht geleugnet. Immerhin ist sie schon seit zwei Tagen hier.“
„Sie wohnt hier? Mit dir? Du mußt vollkommen verrückt sein.“
„Es ging nicht anders. Ihr Gepäck war verlorengegangen, und auf dem Flughafen wurde ihr das Rückflugticket gestohlen.“
„Warum hast du mir gestern nichts davon erzählt?“
„Weil es dich nichts angeht.“ Das klang härter, als er beabsichtigt hatte. „Tut mir leid, aber so liegen die Dinge nun mal.“
„Was
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