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Schlafender Tiger. Großdruck.

Schlafender Tiger. Großdruck.

Titel: Schlafender Tiger. Großdruck. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rosamunde Pilcher
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Ge­or­ge nick­te. „Wie alt wa­ren Sie da?“
    „Zwölf.“
    „Ha­ben Sie noch Ge­schwis­ter?“
    „Nein.“
    „Was ha­ben Sie dann ge­macht?“
    „Nun, las­sen Sie mich nach­den­ken... Ich blieb in der Schu­le, dann ab­sol­vier­te ich mei­nen Wehr­dienst, und dann be­schloß ich, noch et­was län­ger in der Ar­mee zu blei­ben und mich frei­wil­lig zu ver­pflich­ten.“
    „Woll­ten Sie nicht bei der Ma­ri­ne sein wie Ihr Va­ter?“
    „Nein. Ich dach­te, an Land wä­re es lus­ti­ger.“
    „Und war es das?“
    „Ei­ni­ges schon. Nicht al­les. Und dann... schlug mein On­kel Ge­or­ge vor, daß ich in sein Fa­mi­li­en­un­ter­neh­men ein­stei­gen soll­te, da er selbst kei­nen Sohn hat­te.“
    „Was war das für ein Un­ter­neh­men?“
    „Woll­spin­ne­rei­en im Wes­ten von Yorks­hi­re.“
    „Und ta­ten Sie es?“
    „Ja. Ich hielt es ir­gend­wie für mei­ne Pflicht.“
    „Aber Sie woll­ten ei­gent­lich nicht.“
    „Nein, ich woll­te nicht.“
    „Und was ge­sch­ah dann?“
    Er mach­te ei­ne un­be­stimm­te Ges­te. „Nichts Be­son­de­res. Ich blieb fünf Jah­re in Brad­der­ford, wie ich ver­spro­chen hat­te, dann ver­kauf­te ich mei­nen An­teil am Ge­schäft und stieg aus.“
    „Hat das Ih­rem On­kel Ge­or­ge nichts aus­ge­macht?“
    „Nun, be­geis­tert war er nicht ge­ra­de.“
    „Und was ha­ben Sie dann ge­macht?“
    „Ich kauf­te die Eclip­se von dem Er­lös, lan­de­te nach ein paar Jah­ren des Her­um­wan­derns an die­sem Fle­cken und leb­te hier glück­lich bis an mein Le­bens­en­de.“
    „Und dann schrie­ben Sie Ihr Buch.“
    „Ja, na­tür­lich, dann schrieb ich mein Buch.“
    „Und das ist das Wich­tigs­te von al­lem.“
    „Was ist dar­an so wich­tig?“
    „Weil es krea­tiv ist. Es kommt aus Ih­rem In­nern. Schrei­ben zu kön­nen ist ei­ne Ga­be. Ich kann über­haupt nichts.“
    „Ich kann auch über­haupt nichts“, sag­te Ge­or­ge, „des­halb hat mir Mr. Rut­land auch mit Ih­rer Hil­fe die­se mys­te­ri­öse Bot­schaft zu­kom­men las­sen.“
    „Wer­den Sie kein zwei­tes Buch schrei­ben?“
    „Glau­ben Sie mir, ich wür­de, wenn ich könn­te. Ich hat­te so­gar da­mit an­ge­fan­gen, aber die Sa­che ging so ver­dammt schief, daß ich es in klei­ne Stücke zer­riß und da­mit ei­ne Art ri­tu­el­les Freu­den­feu­er an­zün­de­te. Es war ent­mu­ti­gend, mil­de aus­ge­drückt. Und ich hat­te dem al­ten Kna­ben ver­spro­chen, daß ich in­ner­halb ei­nes Jah­res einen zwei­ten Ver­such star­ten wür­de, selbst wenn es nur ei­ne Idee wä­re, aber na­tür­lich ha­be ich das nicht ge­tan. Man hat mir ge­sagt, ich lit­te an ei­ner Schreib­hem­mung. Das ist so et­was wie die schlimms­te Art von geis­ti­ger Ver­stop­fung.“
    „Wo­von woll­ten Sie in Ih­rem zwei­ten Buch schrei­ben?“
    „Von ei­ner Rei­se in die Ägäis, die ich mal un­ter­nom­men ha­be, be­vor ich hier­her­kam“
    „Was ist schief­ge­gan­gen?“
    „Es war to­tal lang­wei­lig. Die Rei­se war phan­tas­tisch, aber als ich dar­über schrieb, klang es so auf­re­gend wie ei­ne Bus­fahrt durch Leeds an ei­nem reg­ne­ri­schen Sonn­tag im No­vem­ber. Es ist ja auch schon über al­les ge­schrie­ben wor­den.“
    „Aber dar­um geht es nicht. Si­cher muß man einen ori­gi­nel­len Auf­hän­ger fin­den oder einen neu­en An­satz. Funk­tio­niert es nicht so?“
    „Na­tür­lich.“ Er lä­chel­te. „Sie sind gar nicht so grün hin­ter den Oh­ren, wie Sie aus­se­hen.“
    „Sie ha­ben ei­ne schreck­li­che Art, net­te Sa­che zu sa­gen.“
    „Ich weiß. Ich bin ein ver­schro­be­ner Kauz. Al­so, wie war das mit den Per­so­nal­pro­no­men?“
    Se­li­na blick­te wie­der in ihr Buch. „Us­ted. Sie. El. Er. El­la...“
    „Man spricht ein dop­pel­tes 'l' aus, als wür­de ein 'j' da­hin­ter­ste­hen. El­ja.“
    „El­ja“, wie­der­hol­te Se­li­na und sah ihn an. „Wa­ren Sie nie­mals ver­hei­ra­tet?“
    Er ant­wor­te­te nicht so­fort, aber sei­ne Mie­ne ver­zog sich, als hät­te die Son­ne ihn plötz­lich ge­blen­det. Nach ei­ner Wei­le sag­te er ziem­lich ru­hig: „Ich ha­be nie ge­hei­ra­tet. Aber ich war ein­mal ver­lobt.“ Se­li­na war­te­te, und er fuhr fort, viel­leicht er­mu­tigt durch ihr Schwei­gen.

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