Schlafender Tiger. Großdruck.
Froschaugen.
„Rodolfo, wenn ich heute nacht hierbleiben möchte... Hättest du ein Zimmer für mich?“
„Natürlich, Francesca. Ich werde eins herrichten lassen.“
Frances fuhr in einer Staubwolke zur Casa Barco und parkte den Citroen an dem einzigen schattigen Platz, den sie finden konnte. Sie überquerte die Straße, öffnete die grüne Holztür und rief: „Ist jemand da?“ Es kam keine Antwort, und so trat sie ein.
Offensichtlich war niemand da. Es duftete süßlich nach Holzasche und Früchten, und durch die offenen Fenster wehte ein kühler Seewind. Frances ließ ihre Tasche auf den nächstbesten Stuhl fallen und machte sich auf die Suche nach Zeichen weiblicher Anwesenheit, doch ihr fiel nichts Besonderes auf. Als sie ein Geräusch von der Galerie hörte und erschrocken hinaufsah, war es nur Georges alberne weiße Katze, die vom Bett gesprungen war und die Leiter herunterkam, um die Besucherin zu begrüßen.
Frances mochte keine Katzen, diese erst recht nicht, und gab Pearl einen Fußtritt, doch Pearls Würde wurde dadurch in keiner Weise angetastet. Ihr Hinterteil sprach Bände, als sie Frances stehenließ und mit erhobenem Schwanz auf die Terrasse ging.
Nachdem Frances das Fernglas von Georges Tisch genommen hatte, folgte sie ihr. Die Eclipse lag ruhig vor Anker. Frances hob das Fernglas und stellte es scharf, bis die Yacht und ihre Insassen klar zu sehen waren. George saß mit ausgestreckten Beinen auf einem der Sitze im Cockpit, die alte Mütze über die Augen gezogen und ein Buch auf der Brust. Das Mädchen lag hingegossen auf dem Vordeck und schien nur aus knochenlosen Gliedmaßen und einer rehbraunen Haarmähne zu bestehen. Es trug ein Hemd, das aussah, als gehörte es George. Die kleine Szene strahlte Zufriedenheit und Harmonie aus. Frances runzelte die Stirn, legte das Fernglas auf den Tisch zurück, ging in die kleine Küche und goß sich ein Glas von Georges süßem, kühlem Brunnenwasser ein. Sie trug das Glas auf die Terrasse, zog sich einen einigermaßen stabil aussehenden Stuhl in den Schatten der Markise, streckte sich gemütlich darauf aus und wartete.
„Sind Sie wach?“ fragte George.
„Ja.“
„Ich glaube, wir sollten langsam einpacken und zurück fahren. Sie haben genug Sonne gehabt.“
Selina setzte sich auf und streckte sich. „Ich bin eingeschlafen.“
„Ich weiß.“
„Das kommt von dem köstlichen Wein.“
„Bestimmt.“
Während sie zur Casa Barco zurückruderten, schwebte das Dinghi wie eine Wolke über dem pfauenblauen Wasser.
Die Luft war heiß und still, es schien nur sie beide auf der Welt zu geben.
Selina zog den Korb zwischen ihre Knie und sagte: „Das war ein phantastisches Picknick. Das schönste, das ich je erlebt habe.“ Sie erwartete, daß George darauf mit irgend einem Spruch über Frinton reagieren würde, doch zu ihrer Überraschung sagte er nichts, sondern lächelte nur, als hätte er es auch genossen.
Er legte am Anleger an und sprang auf die Planken, um das Boot mit zwei Schlingen der Fangleine festzumachen. Nachdem Selina ihm ihre Sachen hochgereicht hatte, stieg sie ebenfalls auf die heißen Holzplanken. Sie kletterten über die Schienen der Slipanlage, und George ging als erster die Stufen zur Terrasse hoch, so daß Selina Frances Dongens Stimme hörte, bevor sie Frances selbst sah.
„Na, wen haben wir denn da?“
Für den Bruchteil einer Sekunde schien George zu erstarren, doch dann betrat er die Terrasse, als wäre nichts geschehen.
„Hallo, Frances“, sagte er.
Selina folgte ihm langsam. Frances lag in dem alten Rohrstuhl, die Füße auf dem Tisch. Sie trug eine blau-weiß karierte Bluse, die vorn zusammengeknotet war, so daß man ihre braune Haut sehen konnte,
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