Schlafender Tiger. Großdruck.
Mitte - in der Woche, in der die Eclipse in den Hafen von Delos eingelaufen war. Und dann würde er an den Anfang zurückkehren, um in einer Folge von Rückblenden zu zeigen, wie die Reise langsam Form angenommen hatte, wie sie ursprünglich geplant gewesen war. Das Schreibmaschinenpapier fühlte sich dick und weich an, und seine Schreibmaschine lief schnurrend wie eine gutgeölte Maschine. Selina war noch beim Baden, und Juanita traktierte im Waschhaus Georges Laken mit einem Stück Seife und trällerte dabei ein einheimisches Liebeslied, weshalb George das Klopfen an der Tür zunächst nicht hörte. Er blickte von der Schreibmaschine auf, als sich die Tür öffnete.
Der Mann, der dort an der Tür stand, war jung, groß und sehr attraktiv. Er trug einen ganz normalen Geschäftsanzug, ein Hemd mit einem steifen weißen Kragen und eine Krawatte, und trotzdem schaffte er es, provozierend frisch und kühl zu wirken. „Verzeihen Sie, wenn ich störe“, sagte er, „aber auf mein Klopfen hat niemand reagiert. Ist dies die Casa Barco?“
„Ja...“
„Dann müssen Sie George Dyer sein.“
„Das bin ich...“ Er stand auf.
„Mein Name ist Rodney Ackland.“ Offenbar war er der Meinung, daß sie ihr Gespräch nicht fortsetzen sollten, ohne sich vorher offiziell miteinander bekannt gemacht zu haben. Er schüttelte George die Hand. „Guten Tag.“ Fester Händedruck, dachte George. Gerader, offener Blick. Ganz und gar vertrauenswürdig - und todlangweilig.
„Gehe ich recht in der Annahme, daß Selina Bruce sich hier aufhält?“
„Das stimmt.“ Als Rodney sich fragend umblickte, fügte er hinzu: „Sie ist gerade schwimmen gegangen.“
„Verstehe. Nun, in diesem Falle ist es wohl besser, wenn ich Ihnen den Grund meines Hierseins erkläre. Ich bin Selinas Anwalt. Und leider war es, wenn auch indirekt, meine Schuld, daß sie diese Reise nach San Antonio überhaupt gemacht hat. Ich habe ihr nämlich Ihr Buch gegeben, sie sah Ihr Foto und war überzeugt davon, daß Sie ihr Vater wären. Sie hat mit mir darüber gesprochen, daß sie herkommen und Sie suchen wollte. Ich sollte sie begleiten, doch leider war ich gezwungen, geschäftlich nach Bournemouth zu reisen, um einen sehr wichtigen Kunden zu treffen, und als ich nach London zurückkehrte, war Selina bereits drei oder vier Tage fort. Also nahm ich natürlich das nächstbeste Flugzeug nach San Antonio und... nun, ich denke, ich sollte sie wieder mit zurücknehmen.“ Sie musterten einander. „Sie sind natürlich nicht ihr Vater“, fügte Rodney hinzu.
„Nein, das bin ich nicht. Ihr Vater ist tot.“
„Es gibt da allerdings eine seltsame Ähnlichkeit. Selbst ich kann das erkennen.“
„Gerry Dawson war ein entfernter Verwandter von mir.“
„Was für ein außergewöhnlicher Zufall!“
„Ja“, sagte George. „Außergewöhnlich.“
Zum erstenmal wirkte Rodney ein wenig verunsichert.
„Mr. Dyer, ich weiß absolut nichts über die näheren Umstände von Selinas ... ziemlich unkonventionellem Besuch, oder wieviel sie Ihnen von sich erzählt hat. Aber sie hatte immer eine große Sehnsucht nach ihrem Vater, ja, sie war geradezu besessen von dem Gedanken an ihn. Selina wurde von ihrer Großmutter aufgezogen, und ihre Kindheit war, gelinde gesagt, anders als die anderer Kinder...“
„Ja, das hat sie mir erzählt.“
„Nun, da Sie die Fakten kennen, bin ich sicher, daß wir einer Meinung sind.“
„Ja, ich nehme an, das sind wir.“ George grinste. „Nur so aus Interesse, wie hätten Sie reagiert, wenn sich herausgestellt hätte, daß ich wirklich Selinas Vater bin?“
„Daß Sie...“ Rodney traf diese Frage völlig unvorbereitet. „Also, ich... äh...“ Er beschloß, das ganze als Scherz abzutun.
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