Schlaflos in Tofuwuerstchen
warten. "Aber es ist wichtig, dass du dich erinnerst, Eve. An alles."
Seine Stimme entfernt sich von mir, während ich mich entscheide, wieder einzuschlafen. Wer will es mir verbieten? Kopfschmerzen. Ich will nicht mehr nachdenken. Am Ende bringt es mich nur wieder auf dumme Ideen.
Die vollkommene Wahrnehmung der Ereignisse überkommt mich im ungünstigsten Moment. Ich sitze auf dem Beifahrersitz von Peters Wagen, der mich vor wenigen Minuten aus dem Krankenhaus abgeholt hat, als mir bewusst wird, dass der Ausgang der Geschehnisse auch ein ganz anderer hätte sein können.
Ich wäre jetzt lieber allein. Allein mit mir und meinen Gedanken, die es zu sortieren und bei Bedarf auszulöschen gilt. "Ich lasse dich jetzt nicht allein", hatte er mir meinen Wunsch bereits im Krankenhaus ausgeredet.
So sehr ich mir gewünscht habe, Peter wieder irgendwie näher zu kommen, so sehr überfordert mich im Moment alles, das Emotionen aufwühlen könnte. Während er neben mir im Auto sitzt, macht er mir nur umso deutlicher, dass nichts mehr ist, wie es war. Traumatische Erlebnisse stärken die Sehnsucht nach Vertrautem. Umso schlimmer erscheint mir der Gedanke, mit ihm nicht in unsere gemeinsame Wohnung, sondern an einen Ort zu fahren, der ihm und einer Anderen gehört. Ein Ort, an dem ich eine Fremde bin.
"Ich habe dir doch schon mal erklärt, dass es keinen Grund zur Sorge gibt. Dieser Typ hat keine privaten Informationen über mich. Ich bin sicher in meiner Wohnung."
Er hält es für überflüssig, mir zu antworten. Ich bemühe mich, das Positive zu sehen, als er in den Rosenweg einbiegt. Du bist in seiner Nähe, Eve. Es ist egal, ob Clara auch dort ist. Er ist da – und nur das zählt.
Ich muss an Julia denken. An die Erleichterung in ihrem Gesicht, als ich ihr erzählt habe, dass ich für eine Weile bei Peter wohne. Selbst ihre Vorurteile ihm gegenüber sind scheinbar außer Gefecht gesetzt, wenn es um das Wohl ihrer besten Freundin geht. Hinzu kommt, dass ihre Wohnung kein Gästezimmer hat, indem sie mich unterbringen könnte. Und die Möglichkeit, dass ich alleine in meine Wohnung zurückkehren könnte, steht für sie genauso wenig zur Debatte. Alle scheinen sich einig. Ich passe mich wohl oder übel an. Die Exfreundin bei ihrem Exfreund und seiner Neuen. Ein hübscher Gedanke. Nur dass ich in diesem Stück eine Rolle einnehme, die ich lieber an Clara abgegeben hätte.
"Da wären wir." Er stellt den Motor ab.
"Da wären wir", sage ich und steige aus, als er mir die Autotür öffnet. Über die Schulter geklemmt trägt er meine Reisetasche, die für einen Moment Erinnerungen an Ägypten wachruft. Ich verdränge den Gedanken. Es ist der falsche Moment für Sentimentalitäten.
"Clara ist noch in der Redaktion. Ich habe mir ein paar Tage frei genommen", erklärt er, während er den Schlüssel ins Schloss steckt. Das Klirren seines Schlüsselbundes erinnert mich an seine tägliche Heimkehr nach Feierabend. An das kurze freudige Aufflackern in mir, wenn ich wusste, dass er nach Hause kommt. Ob es Clara jetzt genauso geht? Oder kommen sie jeden Tag zur selben Zeit nach Hause, machen in der Redaktion gemeinsam Feierabend?
Ich habe mir ein paar Tage frei genommen. Erst jetzt kommen seine Worte bei mir an. Er hat sich frei genommen? Wegen mir? Warum tut er das alles? Braucht es erst ein solches Drama, um ein schlechtes Gewissen bei ihm wachzurufen? Und warum hat er ein schlechtes Gewissen wegen des Überfalls, der einzigen Sache, an der er keine Schuld trägt?
"Dein Zimmer wird dir gefallen. Vom Fenster aus hat man einen Blick bis zu den Wäldern."
"Klingt gut." Das tut es wirklich.
"Du kannst dich wie zu Hause fühlen. Wenn du irgendwelche Wünsche hast, kannst du sie einfach auf den Einkaufszettel schreiben. Er klemmt am Kühlschrank."
"Mein einziger Wunsch ist ein Bett." Seit dem Unfall habe ich mehr geschlafen als für gewöhnlich in einem Monat.
"Den kann ich dir erfüllen." Er lächelt, während er mit der Reisetasche die Treppe hinaufgeht. Ich folge ihm.
Wir bleiben in der offenen Tür des ersten Zimmers stehen.
"Das ist es."
Ich begutachte den Raum flüchtig. Eine Kommode, ein Tisch, ein Bett. Viel mehr interessiert mich jedoch, wie weit ich vom Schlafzimmer der Frischverliebten entfernt bin.
"Und ihr schlaft auch hier oben?"
Er missversteht (Gott sei Dank) die Beweggründe für meine Frage. "Ja, nah genug, um dich zu hören, wenn du uns rufst."
Ich nicke. Nah genug, um zu hören, wenn ich rufe. Wonach
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