Schlaflos in Tofuwuerstchen
verstehe ich nicht so ganz, warum Sie mich hergebeten haben. Wollten Sie sich wirklich nur nach meiner Zufriedenheit erkundigen?" Ich fühle mich ein wenig unwohl auf dem Besucherstuhl, auf dem ich mir beinahe wie auf einem Präsentierteller vorkomme.
"Sie haben recht, Frau Reder. Das ist nicht der einzige Grund. Ich wollte auch mit Ihnen reden."
Mit mir reden. So fängt selten ein gutes Gespräch an.
"Tatsächlich? Worüber denn?"
"Sie kennen doch Frau Meyer, oder?"
"Tanja. Ja natürlich. Ihre Assistentin. Wieso?"
"Nun ja." Er faltet seine Hände und beugt sich ein Stück nach vorne. "Frau Meyer ist schwanger."
"Das, das wusste ich gar nicht", stammele ich. Und tatsächlich frage ich mich, wie diese Tatsache an mir vorbeigehen konnte. Für gewöhnlich verbreiten sich solche Neuigkeiten wie ein Lauffeuer. Oder hat meine Abwesenheit nach dem Unfall dafür gesorgt, dass ich nichts davon mitbekommen habe?
"Sie ist im vierten Monat."
"Tatsächlich?"
"Und genau das ist der Grund, aus dem ich mich an Sie wende."
Ich stehe auf dem Schlauch. Was habe ich mit Tanjas Schwangerschaft zu tun?
"Frau Meyer geht ab sofort ins Beschäftigungsverbot", verkündet er.
"Beschäftigungsverbot?"
"Ja, vom Arzt verordnet. Es gibt gewisse Kriterien, die eine Schwangerschaft negativ beeinflussen können und um Mutter und Kind dementsprechend zu schützen, wird unter Umständen solch ein Verbot erteilt."
"Gibt es denn Komplikationen?"
"Genaueres ist uns nicht bekannt. Der Arzt hat das Verbot erteilt und wir haben Frau Meyer demzufolge sofort von der Arbeit freizustellen."
Ich nicke.
"Sie wird für mindestens anderthalb Jahre ausfallen und genau da liegt unser Problem. Ich brauche eine zuverlässige Assistentin. Und alle anderen Kolleginnen sind voll eingespannt."
"Ähm, Sie meinen ..."
"Ja. Das meine ich, Frau Reder." Er lächelt zuversichtlich.
"Aber was ist mit meinen Aufgaben am Empfang?"
"Wir haben hin und her überlegt, welche Entscheidung die beste ist. Stellen wir jemand neuen ein? Ändern wir die Aufgabenbereiche? Und wir sind zu dem Entschluss gekommen, dass wir vorerst eine der Praktikantinnen für den Empfang einsetzen. Für meine Assistenz benötige ich allerdings jemanden, den ich kenne, der bereits eingespielt ist und auf den ich mich hundertprozentig verlassen kann."
Ich fühle mich geschmeichelt. Jemanden, auf den er sich hundertprozentig verlassen kann.
"Das ist wirklich sehr nett, Herr Lohmeyer. Aber geht das denn so einfach? Ich meine, eine Praktikantin für den Empfang einzusetzen?"
"Das wäre ja nur vorerst", antwortet er. "Wir müssen schauen, wie es sich entwickelt. Vielleicht gibt es für den Empfang dann zu gegebener Zeit auch eine Neueinstellung. Aber das, liebe Frau Reder, wird dann nicht mehr Ihr Problem sein."
Ich lächle. Die Gedanken an mehr Gehalt, interessantere Aufgabengebiete und vor allem die direkte Zusammenarbeit mit dem Oberhaupt der Agentur sind verlockend. Scheinbar meint das Schicksal es doch nicht so schlecht mit mir.
"Ich freue mich", sage ich schließlich. "Und es wäre mir eine große Freude, Ihre Assistenz zu übernehmen."
Er reicht mir lächelnd seine Hand.
"Ich freue mich auch, Frau Reder. Und ich bin wirklich erleichtert, dass Sie das Angebot so problemlos annehmen."
"Aber natürlich, Herr Lohmeyer. Warum sollte ich Sie auch nicht annehmen? So eine Chance bietet sich schließlich nicht alle Tage."
"Ich will ehrlich sein. Frau Lau stand ebenfalls zur Wahl für die Stelle, aber ich hielt das für keine so gute Idee. Immerhin hat sie gerade erst geheiratet."
"Ja, ich weiß. Vor drei Monaten", sage ich, ohne wirklich zu verstehen, was er meint.
"Ganz genau. Vor drei Monaten. Frisches Eheglück also, das sicher schon sehr bald von Nachwuchs gekrönt sein wird. Und was das heißt, sehen wir ja gerade bei Frau Meyer."
Für einen Moment fällt es mir schwer, seiner Absicht zu folgen.
"Und genau deshalb wollte ich von Anfang an Sie für diesen Job, Frau Reder. Ich meine, Sie sind Single, wie man weiß. Unverheiratet und demzufolge besteht auch keine Gefahr auf baldiges Kinderglück, richtig?" Er grinst mich an, als gäbe diese Feststellung allein Grund zur Freude.
"Irgendwie", stammele ich, "stimmt das natürlich. Aber ..."
"Kein Aber, Frau Reder. Sie sind perfekt geeignet und deshalb bin ich umso erfreuter über Ihre Zusage."
Ich bemühe mich um ein ebenso erfreutes Gesicht. Trotzdem beginnt meine anfängliche Freude über das Angebot zu bröckeln. Single,
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