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Schlafwandler

Schlafwandler

Titel: Schlafwandler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Grossman
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ihn
hilflos an und legte das Cape zur Seite. »Also gut, wenn du
es so haben willst.« Er zuckte mit den Schultern. »Dann
lass uns feiern. Ich überbringe gute
Nachrichten.«
    Er ließ den
Korken einer Champagnerflasche knallen. »Auf meinen
Hauptmann!« Er hob ein Glas. »Ohne den ich nicht hier
wäre. Und auch nirgendwo anders. Prosit.«
    Sie stießen
an.
    »Prosit.«
Kraus fühlte sich gezwungen, mit ihm mitzuhalten, und leerte
das Glas in einem Zug.
    »Also, Fritz,
was hast du für gute Nachrichten? Ich könnte welche
vertragen.«
    »Das ist aber
streng vertraulich.« Fritz legte einen Finger auf die
Lippen.
    Kraus legte eine Hand
aufs Herz.
    »Strasser hat
sich mit Hitler überworfen.«
    »Nein!«
Die wütende Szene zwischen den beiden Männern im Foyer
des Kaiserhofs schoss Kraus durch den Kopf.
    »Noch ist es
nicht offiziell«, erklärte Fritz. »Aber ich habe
meine Quellen. Der Führer ist geradezu wahnsinnig vor Wut. Er
zerfetzt Vorhänge und frisst den Teppich auf.
Buchstäblich. Mein Informant ist sehr
glaubwürdig.«
    »Bedeutet das,
die Nazipartei bricht auseinander?«
    Fritz schenkte ihnen
noch eine Runde ein. »Das zu sagen wäre verfrüht.
Aber von Schleichers Teile-und-Herrsche-Plan hat offenbar eine
echte Kluft aufgerissen.«
    »Das sind
wirklich gute Neuigkeiten.« Kraus hob das Glas. »Darf
ich es wagen? Auf 1933.«
    »Auf
1933.«
    Fritz wischte sich den
Mund ab und betrachtete dann den großen, aufgefalteten
Stadtplan auf dem Tisch. »Lass mich raten. Du planst einen
Urlaub irgendwo an der Havel? Nein? Also muss es etwas mit deiner
Arbeit zu tun haben. Was für eine Überraschung! Nur
Arbeit, keine Freizeit, keine Freunde …«
    Kraus fühlte, wie
der Champagner seine Diskretion rapide untergrub.
    »Komm schon,
Fritz. Das Verbrechen macht auch keinen Urlaub. Eine Sekunde mal
… du bist doch Segler. Also kennst du die
Havel.«
    »Wie meine
Westentasche.«
    »Hypothetisch
gesprochen, Fritz, und wirklich nur unter uns, Fritz
…« Kraus stellte sein Glas ab. »Wenn eine Leiche
ans Ufer gespült werden würde, etwa hier …«,
er deutete auf Spandau, »… und sie etwa sechs bis
sieben Stunden im Wasser getrieben wäre, wie weit
flussaufwärts müsste sie dann angesichts der
Strömung ins Wasser gekommen
sein?«     
    »Sie?« Der
lange Schmiss auf Fritz’ Wange, ein Souvenir aus
Universitätszeiten, dehnte sich, als er sarkastisch grinste.
»Hypothetisch?«
    »Ja, Fritz,
vollkommen und absolut vertraulich.«
    »Dann
benütz deinen jüdischen Kopf, Willi!« Die gezackte
Narbe zog sich zusammen. »Das würde natürlich ganz
entscheidend davon abhängen, wie lange sie an jenem besagten,
hypothetischen Ufer gelegen hat, richtig?«
    Fritz liebte nichts
mehr als ein richtig gutes Geheimnis. Er war ein geborener
Schnüffler, deshalb hatte er sich freiwillig für die
Spionagetätigkeit hinter den feindlichen Linien gemeldet. Aus
demselben Grund war er auch ein so großartiger Reporter. Der
Mann war brillant, aber er hatte auch eine andere Seite. Er redete
gern. Vor allem, wenn er trank. Was er eigentlich immerzu
tat.
    »Was ich meine,
ist Folgendes: Es ist möglich, dass sie nur ein kurzes
Stück stromaufwärts in den Fluss gestiegen ist und dann
die ganze Zeit dort am Ufer gelegen hat, wo du sie gefunden
hast.«
    Kraus stellte sich die
Gegend stromaufwärts von der Stelle vor, an der sie sie
gefunden hatten.
    Der Gasthof zum Schwarzen
Hirsch.
    Aber dort konnten sie
ihr nicht die Knochen verpflanzt haben.
    »Vielleicht«, gab er
zu. »Aber nehmen wir trotzdem einmal an, dass sie die meiste
Zeit im Wasser getrieben ist.«
    »Ich will dir
mal was sagen.« Fritz grinste. An der Art, wie er sich die
Seglerhände rieb, ahnte Kraus, dass er dabei war, eine seiner
berühmten Wetten vorzuschlagen. »Ich helfe dir, die
nautischen Seemeilen auszurechnen. Ich helfe dir sogar dabei,
diesen geheimnisvollen Ort zu suchen, an dem die große
Hypothetische ins Wasser gestiegen ist … wenn du mir eine
Kleinigkeit über dich selbst verrätst.«
    »Was um alles in
der Welt kann an einem Langeweiler wie mir interessant
sein?«
    Fritz legte Kraus den
Arm um die Schulter. »Warum bist du mir aus dem Weg
gegangen«, sagte er, als wäre er erschöpft bis auf
die Knochen, »als ich dir wiederholt gesagt habe, dass ich
dir die tollste Frau vorstellen wollte, die du jemals gesehen hast?
Eine so kluge Frau. Eine so wunderschöne Frau. Genau die Frau,
die du brauchst. Und da ist dieser absolute Schurke, verstehst du,
der fast

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