Schlag auf Schlag
Gleichgewicht wieder. Mit gesenktem Kopf ging er auf Win los und versuchte ihn umzustoßen. Schwerer Fehler. Win konnte es nicht ausstehen, wenn ein Gegner versuchte, seine größere Masse auszunutzen. Win hatte Myron in ihrem gemeinsamen ersten Jahr an der Duke University ins Taek- wondo eingeführt. Er selbst praktizierte es allerdings schon, seit er fünf war. Er hatte sogar drei Jahre im Fernen Osten bei einigen der größten Meister dieser Kampfkunst trainiert.
»Aaaarrrghhh!«, brüllte Netzhemd.
Wieder wich Win elegant aus wie ein geschmeidiger Matador
dem ungelenken Bullen. Er traf Netzhemd mit einem Roundhouse Kick auf dem Solarplexus und verpasste ihm dann einen Schlag mit der flachen Hand auf die Nase. Es knackte kurz, dann floss Blut. Netzhemd schrie auf und ging zu Boden. Er blieb liegen.
Win beugte sich zu ihm hinunter. »Für wen arbeitet ihr?«
Netzhemd betrachtete das Blut auf seiner Hand. »Du hast mir die Nase gebrochen«, näselte er.
»Falsche Antwort«, sagte Win. »Ich wiederhole meine Frage. Für wen arbeitet ihr?«
»Ich sag überhaupt nichts!«
Win nahm die gebrochene Nase zwischen zwei Finger. Netzhemd quollen fast die Augen aus dem Kopf.
»Nicht«, sagte Myron.
Win sah ihn an. »Wenn du es nicht erträgst, geh.« Er wandte sich wieder an Netzhemd. »Deine letzte Chance. Dann dreh ich sie um. Wer ist euer Auftraggeber?«
Netzhemd sagte nichts. Win drückte die Nase kurz zusammen. Als die kleinen Knochen aneinander scheuerten, klang es wie Regentropfen auf einem Dachfenster. Netzhemd bäumte sich vor Schmerz auf. Win erstickte seinen Schrei mit seiner freien Hand.
»Das reicht«, sagte Myron.
»Er hat noch nichts gesagt.«
»Vergiss nicht, wir sind die Guten.«
Win verzog das Gesicht. »Du klingst wie ein Anwalt von der Bürgerrechtsbewegung.«
»Er braucht gar nichts zu sagen.«
»Was?«
»Er ist ein mieses Schwein. Für fünf Cents würde er seine Mutter verkaufen.«
»Was heißt das?«
»Das heißt, er hat mehr Angst davor, etwas zu verraten, als vor dem Schmerz.«
Win lächelte. »Das lässt sich ändern.«
Myron streckte ihm einen der Parkscheine entgegen. »Der hier ist für die Tiefgarage Ecke 45th Street und Madison Avenue. Direkt unter dem Haus, in dem TruPro seine Geschäftsstelle hat. Unser Freund arbeitet für die Ache-Brüder. Das sind die Einzigen, die einem solche Angst einjagen können.« Netzhemds Gesicht war schneeweiß geworden.
»Oder Aaron«, sagte Win.
Aaron.
»Was ist mit dem?«, fragte Myron.
»Die Aches könnten Aaron vorgeschickt haben. Der könnte einem solche Angst einjagen.«
Aaron.
»Er arbeitet nicht mehr für Frank Ache«, sagte Myron. »Hab ich jedenfalls gehört.«
Win schaute auf Netzhemd herab. »Sagt dir der Name Aaron etwas?«
»Nein«, rief er. Schnell. Zu schnell.
Myron beugte sich zu Netzhemd hinunter. »Rede, oder ich sag Frank Ache, dass du uns alles erzählt hast.«
»Ich hab nie was nich von einem Frank Ache nich gesagt.«
»Dreifache Verneinung«, sagte Win. »Sehr beeindruckend.«
Es gab zwei Ache-Brüder. Herman und Frank. Herman, der ältere, war der Boss, ein Soziopath, auf dessen Rechnung unzählige Morde und viel Leid gingen. Doch im Vergleich zu seinem durchgeknallten Bruder Frank wirkte Herman wie Mary Poppins. Unglücklicherweise war Frank für TruPro zuständig.
»Ich hab nix nich gesagt«, wiederholte Netzhemd. Er streichelte seine Nase wie einen geprügelten Hund. »Kein verdammtes Wort nich.«
»Aber das kann Frank ja leider nicht wissen«, sagte Myron. »Pass auf, ich erzähl Frank, du hättest gesungen wie eine Nachtigall unter der Dusche. Und was soll er machen? Er wird mir glauben. Woher soll ich denn sonst wissen, dass Frank dein Auftraggeber ist?«
Netzhemds Gesichtsfarbe verwandelte sich von weiß zu einer Art Algengrün.
»Aber wenn ihr mitspielt«, sagte Myron, »tun wir alle so, als wäre nichts passiert. Als hätten wir nie gemerkt, dass ihr uns beschattet habt. Ihr seid fein raus. Von eurem kleinen Patzer braucht Frank gar nichts zu erfahren.«
Netzhemd überlegte nicht lange. »Was wollt ihr?«
»Hat einer von Aches Männer euch den Auftrag gegeben?«
»Yeah.«
»Aaron?«
»Nein. Irgendso'n anderer Typ.«
»Was sollt ihr tun?«
»Euch beschatten. Berichten, wo ihr gewesen seid.«
»Aus welchem Grund?«
»Keine Ahnung.«
»Wann habt ihr den Auftrag gekriegt?«
»Gestern Nachmittag.«
»Um welche Zeit?«
»Weiß ich nicht mehr. So gegen zwei oder drei. Sie haben mir
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