Schlag weiter, Herz
Gespräch.
Sabine erzählte ihm, dass sie sich vor einem Jahr von ihrem Mann getrennt hatte, der nun seine neue Freundin, die vierzehn Jahre jünger war, umgehend geschwängert hatte.
»Ich darf mich gar nicht beschweren«, erklärte Sabine nach dem vierten Bier. »Ich wollte nicht mehr mit ihm zusammen sein, aber nun sehe ich plötzlich aus wie die Verliererin. Das nehme ich ihm übel.«
»Wolltest du denn ein Kind mit ihm?«
»Nein, auf keinen Fall, so ein Loser. Ich bin froh, dass ich den los bin. Aber als Frau in meinem Alter ohne Kind, da gucken dich die Freundinnen ohnehin schon mitleidig an. Und dann auch noch ohne Mann.«
Mert fand es angenehm, sich zu unterhalten. Sabine war schön, wenn auch etwas hart im Ausdruck. Doch mit der Zeit wurde ihm das Gespräch zu intim. Er gähnte, streckte sich, entschuldigte seine Müdigkeit. Sabine ging ganz selbstverständlich hinein, öffnete den Kühlschrank und holte sich ein Bier. Sie setzte sich wieder, wobei sie mit der Hand im Vorbeigehen über Merts Schultern strich.
»Du bist mehr so der geheimnisvolle Typ, oder?«, sagte sie. »So einer mit Tiefe, der aber nicht gerne Worte dar über verliert.« Sie nahm noch einen Schluck. »Wie ein Schamane. In Verbindung mit den Geistern und der Erde.« Sie lauschte ihren eigenen Worten hinterher.
Mert gähnte noch mal. »Keine Ahnung«, sagte er.
»Oder wie ein alter Samurai, der andere Bewusstseinsebenen erreicht. So wirkst du auf mich. Bestimmt auch auf andere«, sagte sie und versuchte vielsagend zu lächeln. Mert wurde klar, dass Sabine sich für ihn interessierte und etwas sagen wollte, das wiederum sein Interesse entfachen würde. Aber das, was sie sagte, erinnerte ihn vor allem daran, dass es jemanden gab, der ihn besser kannte. Also erklärte er ihr, dass er früh schlafen müsse, um fit zu sein. »Wettkampfvorbereitung.«
Sabine saß in der ersten Reihe, als Mert gegen Wout van Melick verlor, einen Holländer, der ihn so übel verprügelte, dass sein Trainer Nok dazwischengehen musste. Mert hatte sich in der zweiten Runde den rechten Fuß verstaucht und konnte kaum noch auftreten, geschweige denn ausweichen und zurückschlagen. Er stand in der Ecke und nahm Treffer, als würde seine Seele sich weigern, zu Boden zu gehen. Sein Verstand war bereits ausgeschaltet.
Mert hatte Sabine nichts von dem Wettkampf erzählt, aber sein Gesicht war auf den Plakaten zu sehen, die überall in Patong hingen und herumgefahren wurden. Nach dem Kampf suchte Mert sie vergeblich im Stadion. Sie stand auch nicht draußen am Kassenhäuschen, wie er erwartet hatte. Er sah Sabine nicht wieder, auch nicht am Strand, vermutlich war sie abgereist. Oder sie war erschrocken, als sie mitansehen musste, mit welcher Gleichgültigkeit Mert die Tritte und Schläge hingenommen hatte. Immerhin hatte er nicht aufgegeben. Er gab nie auf.
16
Mert unterlag Felix auch bei der Hamburger Meisterschaft zwei Jahre später. Er war ins Schwergewicht aufgestiegen und konnte einige Siege verbuchen, aber sobald er an die wirklich großen Kerle aus dem Osten geriet, wurde er ausgepunktet. Also hungerte er sich erneut ins Halbschwergewicht runter, wo er wieder an Felix geriet.
Felix siegte bei ihrem zweiten Kampf mit 52 : 40 Punkten. Das Ergebnis spiegelte den Kampfverlauf jedoch kaum wider. Mert hatte in zwei Jahren einiges dazugelernt.
In der Pause zur zweiten Runde hockte Felix in der Ringecke, eineinhalb Meter von Nadja entfernt, und atmete tief. Gersch hatte ihm den Mundschutz herausgenommen, den Kopfschutz gerichtet, ihm einen Schluck Wasser gegeben und sagte: »Der taucht immer unter deiner Führhand ab, um dich dann zu attackieren. Schlag mal den rechten Aufwärtshaken direkt hinterher, davon erholt er sich nicht.«
Nadja hörte, was in Felix’ Ecke gesprochen wurde, fixierte dabei aber Mert in seiner Ecke, während sie nebenbei ihre Schwägerin Angelika mit Floskeln abfertigte.
Der Zeitnehmer schlug den Gong, und beide Boxer näherten sich schnell in der Mitte. Mert kam eine Fußlänge früher an. Er wirkte so, als habe er Spaß an der Sache. Die zweite Runde begann, wie die erste geendet hatte. Felix traf häufig und präzise, weil Mert langsamer schlug und gleichzeitig selbst offen war. Nach einer Minute fühlte Felix sich sicher genug, um der Anweisung seines Trainers zu folgen.
Als Mert wieder auf ihn losging und sich unter der Führ hand wegducken wollte, schlug Felix einen rechten Aufwärtshaken hinterher, der präzise an Merts
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