Schlamm, Schweiß und Tränen
Band" überquert hätten.
Als meine Steigeisen das erste Mal auf den Kalkstein trafen, machten sie ein schrilles, quietschendes Geräusch, das in den Ohren wehtat. Doch auf diesem steinigen Untergrund konnten die Zacken meiner Steigeisen keinen Halt finden, und so rutschte ich immer wieder
ab. Also nutzte ich die horizontalen Frontalzacken der Steigeisen und
schlug sie in jeden noch so kleinen Felsspalt, den ich finden konnte
und arbeitete mich so Stück für Stück nach oben.
Nachdem ich diese Steilstufe aus gelbem Kalkstein hinter mir gelassen hatte, verlief die weitere Route etwas weniger steil. Sie führte
über eine verschneite Traverse hinauf zum Genfer Sporn - einer sehr
steil aufragenden Felsnase, die überklettert werden muss - und anschließend hinunter zu Lager 4 am Südsattel.
Jede unserer Bewegungen war geradezu von einer hypnotisierenden Einfachheit geprägt. Mein Kopf war vollkommen frei und ich
konzentrierte mich nur auf eine Sache - auf jeden einzelnen Schritt.
Ich mag dieses Gefühl absoluter Konzentration.
Als ich mich daranmachte, den Genfer Sporn hochzuklettern,
konnte ich Geoffrey ein gutes Stück unterhalb von mir erkennen -
und hinter ihm befanden sich Graham, Alan, Neil und Michael.
Ich kletterte kontinuierlich weiter hinauf und nach einer Stunde
hatte ich einen schmalen Felsvorsprung erreicht, wo ich eine kurze
Verschnaufpause einlegte. Von hier oben konnte ich bereits den berühmt-berüchtigten Südsattel sehen.
Ich konnte es gar nicht abwarten, den Südsattel zu erreichen, denn
ich hatte ja schon so viel über diese Teilstrecke gehört und gelesen.
Auf dem Sattel zwischen Everest und Lhotse, befindet sich auf knapp
8.000 Metern das höchste Expeditionslager der Welt - mitten in der
Todeszone des Mount Everest.
Jedes Mal, wenn der Begriff Todeszone fiel, bin ich zusammengezuckt. Bergsteiger sind zwar im Allgemeinen dafür bekannt, dass sie
Gefahren gern herunterspielen, aber schließlich war dieser Begriff von
Bergsteigern geprägt worden - und das beunruhigte mich.
Ich schob diesen Gedanken beiseite und kämpfte mich stattdessen
die letzten Schritte weiter hinauf, und nachdem ich den Genfer Sporn
überklettert hatte, wurde das Gelände etwas flacher. Ich drehte mich
um und hätte schwören können, dass ich von hier oben glatt auf eine
Hälfte der Erdkugel hinunterschauen kann.
Eine dicke Wolkendecke stieg langsam von unten herauf und verhüllte zunehmend die tiefer gelegenen Gipfel des Bergpanoramas.
Doch oberhalb dieser Wolkenschicht konnte ich den tiefblauen weiten Horizont sehen, der sich vor meinen Augen ausbreitete.
Adrenalin strömte in meine müden Glieder und dann raffte ich
mich noch einmal auf und ging weiter.
Mir war bewusst, dass ich gerade im Begriff war, eine völlig neue
Welt zu betreten.
Der Südsattel ist ein relativ breites, felsiges und mit Geröll übersätes Gelände - etwa so groß wie vier Fußballfelder -, auf dem die
Überreste früherer Expeditionen verstreut liegen.
Hier auf dem Südsattel haben 1996 die Männer und Frauen einer
Gipfel-Expedition verzweifelt um ihr Leben gekämpft, weil sie beim
Abstieg in einen so fürchterlichen Schneesturm geraten sind, dass sie
zunächst das Lager nicht finden konnten. Erst als der Sturm etwas
nachließ, konnten sich einige Wenige von ihnen ins Lager retten. Die
anderen, die nicht so viel Glück hatten, liegen noch immer hier oben
- als tiefgefrorene Leichen, die aussehen wie Marmorskulpturen; viele von ihnen sind mittlerweile größtenteils unter einer dicken Schicht
aus Schnee und Eis begraben.
Es war ein trauriger Ort: Ein Friedhof mit Gräbern, den die Familien der Verunglückten niemals besuchen konnten.
Dieser Ort hatte etwas Unheimliches: Es war der einsamste Ort
der Welt, ein absolut unerreichbarer Ort für all jene, die nicht stark
genug waren, ihn aus eigener Kraft zu erreichen. Hubschrauber haben
schon Schwierigkeiten, das Basislager auf knapp 5.400 Metern anzufliegen, da schaffen sie es erst recht nicht, den Südsattel auf fast 8.000
Metern Höhe anzusteuern.
Selbst für alles Geld der Welt kann sich niemand auf den Gipfel
des Mount Everest bringen lassen. Denn diesen Gipfel erreicht man
nur mit unerschütterlichem Kampfgeist und aus eigener Kraft.
Das gefiel mir.
Mittlerweile wehten recht kräftige Windböen über den Rand des
Sattels und wirbelten die Überreste der kaputten, total zerfetzten Zelte durcheinander.
Mich beschlich so ein Gefühl, als
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