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Schlamm, Schweiß und Tränen

Schlamm, Schweiß und Tränen

Titel: Schlamm, Schweiß und Tränen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bear Grylls
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wollte der Berg mich davor warnen weiterzugehen.

     

Du kannst Vertrauen und Angst
ruhig beide in Deinen Hafen
segeln lassen, allerdings darfst Du
nur dem Vertrauen gestatten,
dort vor Anker zu gehen.

     

Auf den letzten 1.300 Höhenmetern bis zum Gipfel
des Mount Everest befindet man sich in der Todeszone - in einer
Höhe, in der der Mensch nicht lange überleben kann. Denn wenn
man in diese gefährliche Höhe jenseits von Lager 3 vordringt, bedeuten die eisige Kälte und der extreme Sauerstoffmangel dort oben für
den menschlichen Körper den sicheren Tod.
    Und mit jeder Stunde, die man sich in dieser Zone aufhält, kommt
man dem Tod ein Stückchen näher.
    Zwei Zelte standen mitten auf dem Südsattel - das eine gehörte
dem Expeditionsteam aus Singapur und das andere unserem bolivianischen Freund Bernardo. Beide Gipfeltruppen hatten einen Tag vor
uns den Sattel erreicht.
    Die Zelte waren verlassen.
    Ich fragte mich, was diese Bergsteiger hoch oben am Berg wohl
gerade durchmachten. In Singapur wartete man sicher gespannt auf
die Nachricht, ob das Team den Gipfel erreicht hatte.
    Ich hoffte, dass sie erfolgreich waren und den Gipfel erstiegen
hatten.
    Wir hatten uns mit Bernardo vorher abgesprochen, dass wir unsere Ausrüstung miteinander teilen und sein Zelt mitbenutzen dürfen, während er unterwegs zum Gipfel war. Also kroch ich, wenn auch
ziemlich umständlich, in dieses leer stehende Zelt.

    Da in dieser Höhe die Luft extrem dünn ist, bewegen sich die
Bergsteiger aufgrund des Sauerstoffmangels hier oben fast so wie Astronauten. Langsam, umständlich und schwerfällig. Wie ferngesteuert habe ich meine Sauerstoffmaske samt -flasche abgelegt und bin
dann in der Ecke zusammengesackt.
    Ich hatte fürchterliche Kopfschmerzen. Ich musste einfach meine
Augen schließen - nur für eine Sekunde.
    Dann hörte ich auf einmal die Stimme von Bernardo und fuhr erschöpft in die Höhe, als er seinen Kopf ins Zelt streckte.
    Als er mich erblickte, lächelte er mir zu. Er wirkte erschöpft und
hatte nicht nur dicke Tränensäcke unter den Augen, sondern sah mit
seinen tiefdunklen Augenringen fast schon aus wie ein Pandabär; das
kam von der Schneebrille, die er über Wochen hinweg als Schutz vor
dem grellen Höhenlicht getragen hatte.
    Dennoch strahlte er über das ganze Gesicht.
    Ich musste ihn gar nicht erst fragen, ob er den Gipfel bestiegen
hatte. Sein Blick sagte alles.
    „Es ist fantastisch, Bear. Wirklich fantastisch."
    Bernardo wiederholte die Worte noch einmal wie in Trance. Er
hatte es geschafft. Wir quetschten uns zusammen ins Zelt und ich
half ihm dabei, einen Kocher in Gang zu bringen, um etwas Eis zu
schmelzen, damit er etwas zu trinken bekam.
    Immerhin dürfte es schon etliche Stunden her gewesen sein, dass
er zuletzt einen Schluck Flüssigkeit zu sich genommen hatte.
    Doch trotz seiner großen Erschöpfung schien er total lebendig zu
sein. Für ihn waren jetzt alle Strapazen vergessen.
    Die beiden Bergsteiger aus Singapur kamen ebenfalls ins Lager zurück. Auch sie waren erfolgreich gewesen. Ganz Singapur würde jetzt
feiern.
    Zwei Stunden später erreichten auch Neil und Alan den Südsattel.
Sie hatten Geoffrey und Michael überholt. Als Neil seinen Kopf in
Bernardos Zelt streckte, zupfte er mich ganz aufgeregt am Arm.

    Wir waren hier oben alle vereint und dieses Zusammengehörigkeitsgefühl gab mir Kraft.
    Jetzt war es Zeit, Bernardo allein zu lassen und Neil beim Aufbau
des Zelts zu helfen.
    Mittlerweile kamen auch Geoffrey und Michael mit schweren
Schritten über den Sattel getaumelt. Sie erzählten uns, dass Graham
- der ja schon einmal den Gipfel des Everest über die Nordroute bestiegen hatte - nur knapp 100 Meter oberhalb von Lager 3 umgekehrt
war.
    Denn aufgrund der Krankheit, die wir beide durchgemacht hatten, fühlte er sich noch immer extrem geschwächt. Deshalb wusste er,
dass er sich mit einem weiteren Aufstieg in Lebensgefahr gebracht
hätte.
    Was wusste er wohl über die bevorstehende Gipfeletappe, was ich nicht
wusste?
    Ich verdrängte diesen Gedanken schnell.
    Das Wetter verschlechterte sich - wir brauchten ganz schnell einen Unterschlupf.
    Der Wind riss Neil eine Seite unseres Zelts aus den Händen und
die Zeltbahne schlug wild hin und her, so dass wir sie nur mit Mühe
und vereinten Kräften wieder unter Kontrolle bekamen.
    Normalerweise hätten wir dieses Zelt innerhalb weniger Minuten
aufgebaut gehabt, aber bei diesem Wind brauchten wir

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