Schlamm, Schweiß und Tränen
älter wurde und damit anfing meine eigenen Streifzüge zu planen, ganz gleich, wie unbedeutend diese auch ausfielen,
war ich schon traurig darüber, dass ich nicht öfter Gelegenheit hatte,
etwas zusammen mit meinem Vater zu unternehmen - einfach nur wir zwei. Ich weiß ja, wie sehr er unsere Abenteuer liebte, aber er war
in seiner Loyalität eben hin- und hergerissen zwischen meiner Mutter
und mir.
In seiner Kindheit hatte mein Vater nie wirklich das Gefühl liebevoller Vertrautheit und Geborgenheit in seinem Elternhaus erlebt.
Sein Vater war ein arbeitsamer und engagierter, allerdings auch
ziemlich strenger Offizier der British Army, der den Dienstgrad eines
Brigadegenerals erreicht hatte. Dieser Dienstgrad konnte vermutlich
nur auf Kosten eines innigen und harmonischen Familienlebens errungen werden; ich weiß mit Bestimmtheit, dass mein Vater sehr unter der Gefühlskälte seines Vaters gelitten hat.
Als ich klein war, hatte ich vor Opa Ted immer ziemlich Manschetten. (Allerdings völlig unbegründet, wie sich herausstellen sollte.
Klar, er war zwar streng, aber im Nachhinein betrachtet, war er ein
freundlicher und loyaler Mann, der von vielen gemocht wurde.)
Was mir bei Opa Ted am meisten Angst einjagte, waren seine großen Hunde.
Als ich sechs Jahre alt war, passierte es: Einer seiner Hunde hat
mich übel zugerichtet, als ich auf dem Boden saß und mit ihm spielen
wollte. Der Hund biss mich mitten ins Gesicht, sodass zwischen meiner Nase und meinen Lippen eine tiefe Wunde klaffte.
Ich wurde sofort ins nächste Krankenhaus in die Notaufnahme
gebracht, damit die Wunde genäht werden konnte, als meine Mutter
auf einmal befand, dass die diensthabende OP-Schwester viel zu lange
bräuchte und daraufhin kurz entschlossen die Angelegenheit selbst in
die Hand nahm und mein Gesicht wieder zusammenflickte.
Sie hat das übrigens prima hingekriegt, denn wenn man nicht
wirklich ganz genau hinschaut, erkennt man die Narben fast nicht -
auch wenn meine Nase im Grunde genommen schon ziemlich schief
aussieht. Denn als Nahaufnahmen von mir für das Cover des USMagazins Men's Journal gemacht wurden, hat mich doch tatsächlich
der Herausgeber mit einem Lachen gefragt, ob ich denn in meiner
Jugend sehr viele Boxkämpfe verloren hätte. Doch genau genommen
ist es so, dass meine Nase seit damals, als dieser Hund mich gebissen
hat, eben immer ein klein wenig schiefhing.
Auch wenn mein Opa Ted meinen Vater mit großer Strenge erzogen hat, so führte meine Oma - seine Mutter - allerdings ein noch
viel strengeres Regiment. Sie war für ihre energische Art bekannt, und
zwar nicht nur aufgrund ihrer starken Persönlichkeit, sondern auch
weil sie eine Frau war, die Tollkühnheit keineswegs duldete - doch
Tollkühnheit war der zweite Vorname meines Vaters. Deshalb reagierte mein Vater gleichermaßen energisch auf diese ernste und
strenge Erziehung, indem er sich vom ersten Tag an zu einem richtigen Lausbub und Spaßvogel entwickelte.
Ich kann mich noch gut an zahllose Geschichten erinnern, die er
erzählt hat. So zum Beispiel, wie er oben von seinem Schlafzimmerfenster aus seine ältere Schwester und deren neuen Freund heimlich
beobachtete, als die beiden unten auf der Straße standen und ihnen
dann prompt einen Eimer voll Wasser über den Kopf gekippt hat.
Mein Vater ist in vielerlei Hinsicht nie wirklich erwachsen geworden. Das ist auch der Grund dafür, warum er ein so wunderbarer Vater,
Gentleman und Freund war. Und was mich angeht, so habe auch ich
nie den Ehrgeiz entwickelt, möglichst schnell erwachsen zu werden.
Ich kann mich noch an eine Begebenheit erinnern, als unsere Familie Skiurlaub in den Alpen gemacht hat. Die Dummejungenstreiche meines Vaters brachten uns alle in eine recht peinliche Situation.
Damals war ich ungefähr zehn Jahre alt und platzte schier vor
Aufregung, denn mein Vater hatte sich für die total ernst dreinblickende und schweizerdeutsch sprechende Familie im Nachbarzimmer
einen Streich ausgedacht, der so genial war, dass man ihn sich unmöglich verkneifen konnte.
Jeden Morgen kam die gesamte Schweizer Familie die Treppe herunterstolziert: Zuerst die Mutter, sie war von Kopf bis Fuß in Pelz
gehüllt; dann der Vater, er hatte sich in einen knallengen Ski-Overall
gezwängt und einen weißen Schal um den Hals geschlungen und zuletzt ihr leicht übergewichtiger und ziemlich hochnäsig wirkender
dreizehnjähriger Sohnemann, der meistens Grimassen schnitt, wenn
er
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