Schlamm, Schweiß und Tränen
wurden.
Ich hatte die gute Kameradschaft in dieser Zeit zwar sehr genossen, aber dennoch hing mein Herz an größeren Träumen, die ich unbedingt verwirklichen wollte.
Ich hatte recht bald genug Geld zur Seite gelegt,
um das Angebot meines alten Schulfreundes Watty anzunehmen und
mit ihm gemeinsam durch den Norden Indiens zu reisen - dort auf
Klettertour zu gehen und die Gegend zu erkunden.
Seine Familie kannte einen pensionierten Offizier der indischen
Armee, der vorhatte, sich mit der Organisation von Trekking-Touren
für junge Schulabgänger ein zweites Standbein zu schaffen; und wir
sollten seine englischen Versuchskaninchen sein, mit deren Hilfe er
ganz verschiedene Routen und Abenteuer vorab testen konnte.
Das war eine traumhafte Chance.
Einen Monat lang haben wir auf der indischen Seite ausgedehnte
Wanderungen durch das Hochgebirge des Himalajas unternommen,
wobei wir die Regionen rund um Darjeeling erkundet haben. Wir
sind auf den Dächern von Zügen mitgefahren, haben in entlegenen
Bergdörfern auf einer einfachen Holzunterlage geschlafen und sind
im Kanu die rauschenden Gebirgsflüsse hinuntergefahren.
Außerdem konnten wir die atemberaubenden Regionen von Westbengalen und auch den Norden von Sikkim kennenlernen, der zum damaligen Zeitpunkt aufgrund der Grenzkonflikte mit Pakistan für
Touristen gesperrt und nur mit einer speziellen Einreisegenehmigung
zugänglich war, die der Offizier der indischen Armee jedoch im Vorfeld besorgt hatte.
Wir haben das Himalayan Mountaineering Institute in Darjeeling
besucht, wo im Winter spezielle Bergsteigerkurse von indischen Himalaja-Führern angeboten werden - und ich war total Feuer und Flamme. Dieser Ort glich einem Schrein für berühmte Bergsteiger, und all
die Geschichten über diese abenteuerlichen Expeditionen zu den
höchsten Berggipfeln der Erde und über diejenigen, die dabei tödlich
verunglückt waren, hatten mich magisch in ihren Bann gezogen.
In der Zwischenzeit allerdings hatte sich Matty in ein indisches
Mädchen verliebt, was sich - meiner Meinung nach - extrem negativ
auf seine Abenteuerlust und seinen Unternehmungsgeist auswirkte.
Denn auf einmal verkündete er mir, dass er sich auf die Socken mache, um ihre Familie kennenzulernen; das Einzige, was mich jedoch
interessierte, war durch die Berge zu streifen in der vagen Hoffnung,
dass ich zumindest einen Blick vom Mount Everest erhaschen könnte.
An einem bitterkalten Morgen in den Bergen - ich war völlig
durchgefroren, weil ich in puncto angemessene Kleidung, Schuhwerk
und Schlafsack jämmerlich schlecht ausgestattet war - bin ich einmal
sehr früh aufgestanden und konnte so schließlich miterleben, wie in
der Ferne die Sonne über dem Mount Everest aufging, dessen Silhouette ganz allmählich wie ein gewaltiger Riese hoch oben am Horizont
sichtbar wurde.
Jetzt erging es mir wie Watty - auch ich hatte mich Hals über
Kopf verliebt.
Unterwegs auf dem Rückweg, als wir wieder in tiefer gelegene
Bergregionen abstiegen, habe ich mir dann ein großes zusammengerolltes laminiertes Poster vom Mount Everest gekauft (Es war eine
größere Ausführung des Fotos, das mein Vater mir einmal nach einer
unserer Klettereskapaden geschenkt hatte, als ich noch ein kleiner
Junge war.) und mir geschworen, dass ich eines Tages alles auf eine
Karte setzen und den Aufstieg zu dem größten und höchsten Berg der
Erde wagen würde.
Fakt ist jedoch, dass ich zu diesem Zeitpunkt in meinem Leben
nicht die leiseste Ahnung hatte, was es wirklich bedeutete, eine solche
Expedition in Angriff zu nehmen. Denn ich hatte nicht nur sehr wenig Erfahrung im Hochgebirge, sondern war auch - wenn man der
Fachliteratur glauben konnte - viel zu jung, als dass ich tatsächlich
einen ernst zu nehmenden Höhenbergsteiger hätte abgeben können.
Doch ich hatte einen Traum, und das macht Menschen immer
gefährlich.
Träumen kann jeder - das kostet nichts -, denn schließlich geht es
erst dann wirklich zur Sache, wenn man die notwendigen Schritte in
Angriff nimmt, um diese Träume zu verwirklichen. Reine Lippenbekenntnisse waren aber noch nie mein Ding, und deshalb habe ich allen in meiner Familie und in meinem Freundeskreis von meinen Everest-Plänen erzählt.
Ausnahmslos alle dachten, ich wäre komplett verrückt.
Doch bevor ich aus Indien abgereist bin, wollte ich mir unbedingt
noch einen lang gehegten Wunsch erfüllen - ich hatte schon immer
davon geträumt, einmal Mutter Teresa
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