Schlamm, Schweiß und Tränen
gern bei uns
vorbei und stiftete uns am helllichten Tag dazu an, Raubzüge zu den
gewerblichen Müllcontainern im Hinterhof des Sainsbury-Supermarktes ganz in der Nähe zu unternehmen. Wir sind dann immer mit unserem Auto leise vorgefahren (so leise, wie man das eben mit einem
alten qualmenden Ford konnte, auf dessen Rückbank sich eine ganze
Horde Studenten übereinanderstapelte). Einer von uns ist dann rausgesprungen, kopfüber in den Container gehechtet und hat ganze Seiten Lachs und jede Menge abgelaufene Packungen mit Rosinenbrötchen rausgefischt und der unten wartenden Meute in hohem Bogen
zugeworfen, die dann alles begierig aufgefangen hat.
Wir sind auch jede Woche ein paarmal losgezogen, um in der Suppenküche im Obdachlosenheim auszuhelfen, das sich am Ende unserer Straße befand. Auf diese Weise haben wir noch mehr schräge Vögel und eigenartige Gestalten kennengelernt.
Leider ist Neil kurze Zeit später an einer Überdosis gestorben, und
ich gehe mal davon aus, dass wohl nicht mehr sehr viele dieser obdachlosen Brunel-Gäste von damals heute noch am Leben sind. Doch
diese Zeit hat uns Jungs sehr geprägt - einerseits, weil wir als Freunde
zusammengelebt haben und andererseits, weil wir unsere ersten vorsichtigen Gehversuche in die raue Wirklichkeit des Lebens unternommen haben, in eine Welt außerhalb der Schule.
Glanzvolle Höhepunkte unserer Zeit im Zhe Brunel waren zum
Beispiel, wenn Herr Iraci, unser Vermieter, vorbeikam und dann von
mir höchstpersönlich begrüßt wurde, während ich splitterfasernackt
dastand und Cartoons an die Wand meines Schlafzimmers pinselte,
um ein bisschen Farbe und Leben in die Bude zu bringen; oder wenn
Eddie mal wieder bei einem hübschen Mädchen Eindruck schinden
wollte, indem er ihr stolz sein Spezialverfahren demonstrierte, wie er
Wildbret mariniert, und zwar in einer Spülschüssel, die bis zum Rand
mit Bordeaux-Wein gefüllt war.
Der Inhalt unserer gemeinsamen Haushaltskasse schien immer
dann auf wundersame Weise zu schrumpfen, wenn Hugo seine schier
endlosen Dinnerpartys veranstaltete, und zwar allein für sich und die
bis zu zehn verschiedenen Mädels, die er die ganze Woche über angebaggert hatte.
Stan hatte eine prima Methode entwickelt Würstchen zu braten,
indem er sie einfach so lange auf dem Grill liegen ließ, bis der Rauchmelder mit hundert Dezibel losschrillte und damit signalisierte, dass sie nun durch waren. (Einmal passierte es sogar, dass Stans spezielle
Würstchen-Grillmethode doch tatsächlich die Feuerwehr auf den
Plan rief, die in voller Montur mit angeschlossenem Schlauch auf der
Bildfläche erschien und nur noch das Kommando „Wasser marsch!"
geben musste. Die Feuerwehrleute schauten alle ziemlich verdutzt aus
der Wäsche, als sie uns erblickten, wie wir in unseren Morgenmänteln
herumspazierten und wissen wollten, ob die Würstchen denn nun fertig wären, während sie einsatzbereit im Flur standen und der Rauchmelder noch immer laut plärrte. Das war eine tolle Zeit.)
Ich kann mich auch noch an die unschöne Begebenheit erinnern,
als Herr Iraci ein anderes Mal bei uns vorbeischaute, und zwar just
nachdem ich beschlossen hatte, draußen im Hof einen selbstgebauten
Swimmingpool in dem drei Meter mal drei Meter großen „Garten"Bereich zu installieren.
Ich hatte ein Tarp - eine wasserundurchlässige Zeltplane aus Tarpaulin-Gewebe - behelfsmäßig mit ein paar Küchenstühlen fixiert
und diese Konstruktion dann voller Optimismus mit Wasser gefüllt.
Das Ganze hielt etwa 20 Minuten ... genau genommen, bis zu jenem
Augenblick, als Herr Iraci auftauchte, um die Miete zu kassieren.
Doch plötzlich brachen alle Dämme und die entfesselten Wassermassen ergossen sich ungehindert ins Erdgeschoss, welches sie nahezu
komplett sieben Zentimeter unter Wasser setzten und auch Herrn Iraci nicht verschonten - er war pitschepatschenass.
Wahrlich, dieser Mann war ein Heiliger.
Trucker und ich haben Gitarre gespielt und ziemlich oft
Straßenmusik gemacht, indem wir gemeinsam durch verschiedene
heiße Schuppen in Bristol getingelt sind.
Dazu gehörte unter anderem auch das Seniorenheim, wo ich ohne
böse Absicht den Song „American Pie" gesungen habe. Allerdings
enthält der Refrain dieses Songs die eklatant unangebrachte Aussage,
dass jetzt der Tag gekommen wäre, an dem ich sterbe.
Als wir beide schließlich bemerkten, dass wir uns einen ordentlichen Fauxpas geleistet hatten, folgte eine lange und
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