Schlamm, Schweiß und Tränen
Innersten habe ich mir schon so meine Gedanken
gemacht, denn Trucker war sehr viel stärker und kräftiger als ich. Genau genommen war er der sportlichste und durchtrainierteste Mann,
den ich je kennengelernt habe, doch vor allem war er von Natur aus mit einer recht stattlichen athletischen Figur gesegnet - worum ich
ihn immer sehr beneidet habe. Wenn wir gemeinsam trainiert haben
und gelaufen sind, schien ihm die Anstrengung - im Gegensatz zu
mir - überhaupt nichts auszumachen, was meine Angst noch weiter
geschürt hat, dass er die Prüfung bestehen würde und ich dagegen in
Wirklichkeit nie eine Chance hätte.
Am 23. März 1994 trafen wir dann beide, ziemlich angespannt
und nervös, mit dem Einberufungsbescheid in der Hand, vor dem
Kasernentor ein.
Wir waren im Begriff, eine Reise anzutreten, auf der wir uns im
Prinzip von begeisterten Zivilisten zu top ausgebildeten Einsatzkräften einer Spezialeinheit entwickeln würden, und das in etwas weniger
als zwölf harten Monaten.
Eine Vorstellung, die schon irgendwie beängstigend war.
Denn diese Reise, in deren Verlauf wir uns von einem kompletten
Amateur in einen absoluten Profi verwandeln würden, der sich in allen Bereichen - angefangen beim Einsatz von Sprengstoffen bis hin zu
verdeckten Operationen und zur Infiltration auf dem See- und Luftweg - bestens auskennt, würde uns alles abverlangen. Doch bevor wir
auch nur annähernd etwas halbwegs Aufregendes erleben könnten,
müssten wir zuerst unter Beweis stellen, dass wir weit über das normale Maß hinaus durchtrainiert und entschlossen waren.
Der einzige Weg, dieses Ziel zu erreichen, hieß schuften, schwitzen und verdammt hart ranklotzen.
Nach meiner Einschätzung wurden wir einer der besten (von insgesamt drei) Kompanien des 21. SAS-Regiments zugeteilt. Diese genoss innerhalb der SAS-Familie den Ruf einer sehr starken Einheit,
weil sie aus harten, kernigen und sachlich-nüchternen Soldaten bestand. Die meisten von ihnen stammten aus Wales, verhielten sich gegenüber ihresgleichen ausgesprochen fürsorglich und waren extrem
professionell.
Doch diesen Ruf hatten sie sich hart erkämpfen und verdienen
müssen.
Wir beide würden also doppelt so hart schuften müssen, um uns
hier einen Platz zu verdienen.
Am ersten Abend erhielten wir, zusammen mit einer bunten Mischung anderer potenzieller SAS-Aspiranten, unsere Ausrüstung und
mussten anschließend immer wieder die umliegenden Berge zuerst
hoch- und dann wieder hinunterlaufen, wurden über unsere Beweggründe für den Eintritt in den SAS befragt und auch darüber informiert, was genau auf uns zukam.
Die Devise lautete ganz offensichtlich Leistungsbereitschaft.
Ich ging nach Hause und war einfach nur erleichtert, dass ich endlich den ersten Schritt gemacht hatte, um diese verdammte Geschichte in Angriff zu nehmen.
Denn das ist meist der Knackpunkt bei jeder langwierigen und
beängstigenden Unternehmung.
Trucker und ich mussten anschließend jeweils an einem Abend in
der Woche zur sogenannten Übungsnacht in der Kaserne erscheinen.
Denn diese Übungsnächte waren ganz gezielt darauf ausgelegt, uns
damit „vertraut" zu machen, was wir im Laufe des kommenden Jahres
zu erwarten hatten.
Das eigentliche SAS-Auswahlverfahren würde sich dann über
zahlreiche Wochenenden und über viele, viele Monate erstrecken -
allerdings sollten diese zweitägigen Wochenend-Trainingsläufe und
-Übungen der SAS Selection erst in ein paar Wochen beginnen.
Denn zuerst wollte man mithilfe von Vorab-Eignungstests diejenigen Teilnehmer aussieben, die den hohen Leistungsanforderungen
nicht im Geringsten gewachsen waren.
Die wöchentlichen Übungsnächte wurden von Woche zu Woche
immer anstrengender, die sportlichen Übungen und der Drill immer
härter.
Meist mussten wir sehr schnelle Geländeläufe absolvieren, bei denen wir uns fast die Lunge aus dem Leib rannten, danach mussten
wir im Sprint einen Hügel hinauf- und wieder hinunterjagen und
andere Soldaten im Gamstragegriff (etwa so, wie man eine Gams
schultern würde) den Hügel rauf- und wieder runter-, rauf- und wieder runtertragen - und zwar so lange, bis jeder der Rekruten absolut
am Ende seiner Kräfte war und sich in aller Regel vor Erschöpfung
übergeben musste.
Die Ausbilder hatten eine ganz besonders fiese Masche drauf: Wir
mussten uns zuerst alle in Reih und Glied oben auf diesem steilen 60
Meter hohen Hügel aufstellen. Dann jagten sie uns allesamt wieder
hinunter
Weitere Kostenlose Bücher