Schlamm, Schweiß und Tränen
vergeblichen Versuch, diese Biester, die unaufhörlich
um meinen Kopf herumschwirrten, abzuschrecken. Das Ganze fühlte
sich wie irgendeine mittelalterliche Foltermethode an, bei der einem
die Sekunden wie Stunden vorkommen.
Das war eine richtig fiese Aktion, die den Kampfgeist sehr in Mitleidenschaft gezogen hatte, doch irgendwann, nachdem wir etwa eine
Dreiviertelstunde dieser Schnaken-Attacke getrotzt hatten, durften
wir endlich wegtreten und warteten danach auf die Befehle für den
Nachtmarsch.
Doch diese Übung diente gleichzeitig als anschauliche Gedächtnisstütze dafür, dass körperliche Stärke unbedingt mit mentaler Stärke Hand in Hand gehen muss. Denn die körperliche Stärke wird immer von der mentalen Stärke beeinflusst.
Das war eine Lektion, die jeder von uns an diesem Tag auf diesem
gottverlassenen, Schnaken verseuchten Waldweg gelernt hatte.
Die Ausbilder kamen zu uns und informierten uns,
dass der bevorstehende Nachtmarsch als „einführende Schulung" für
einen Geländemarsch durch die berüchtigte Riedgras-Landschaft im
Hochmoor gedacht ist. Diese Landschaft war sumpfig und kilometerweit mit unförmigen Grasbüscheln und einer unebenen und stark
verwurzelten Grasnarbe gespickt - das heißt, ein Gelände, in dem
man sich nicht nur leicht den Knöchel verknacksen konnte, sondern
das auch jegliches Vorankommen so gut wie unmöglich machte.
In den kommenden Monaten sollten wir noch lernen, diese Grasbüschel regelrecht zu fürchten und zu hassen. (Oder Babyköpfe, wie
viele der Rekruten diese Büschel nannten, denn sie sahen aus wie Millionen kleiner Köpfe, die aus dem Boden herausragten.)
In jener Nacht habe ich das Schlimmste befürchtet - und ich wurde nicht enttäuscht.
Es war die Hölle, kilometerweit über diese Grasbüschel zu marschieren, die dicht an dicht nebeneinander standen und etwa so groß
waren wie Melonen. Doch das Schlimmste daran war, dass man in
der Dunkelheit mit jedem Schritt, den man machte, eine Art russisches Roulette spielte - stolpert man oder stolpert man nicht.
Wenn man dann noch bedenkt, dass viele dieser Riedgrasgewächse zudem rasiermesserscharfe, schmale Blätter und kräftige, massive
Stängel haben, die bis zur Brust reichen können, dann wird klar, warum alle Soldaten diese Grasbüschel so sehr hassen gelernt haben.
In der pechschwarzen Nacht gaben meine Beine bei jedem Schritt
nach. Ich knickte um. Manchmal rutschte ich auch aus und versank
bis zu den Oberschenkeln in stinkendem, schwarzem Schlamm.
Als wir schließlich die Hochebene hinter uns gelassen hatten, erreichten wir das eingezäunte Grundstück von einem Bauernhof, der
sich ein Stück weiter bergab befand.
Wir wurden dazu ermahnt, uns leise zu verhalten, weil der Bauer
dafür bekannt war, dass er die Jungs, die an der SAS Selection teilnahmen, gern mal mit der Schrotflinte in der Hand von seinem
Grundstück jagte. Doch das machte die Geschichte für uns nur umso
spannender, während wir vorsichtig in einem großen Bogen um sein
Haus herumgingen und über den Zaun kletterten.
Nachdem wir im Dunkeln die letzte Marschetappe, die über einen
Waldweg führte, im Sturmschritt hinter uns gebracht hatten, erreichten wir schließlich gegen drei Uhr morgens unser Ziel.
Nun lagen drei kostbare Stunden Rast vor uns, die wir dicht an
dicht zusammengedrängt im Wald verbrachten.
Diese Ruhephasen, in denen man schlaflos, nass und durchgefroren darauf wartete, dass es weitergeht, gehörten für mich zum
schlimmsten Teil der SAS Selection.
Körperlich war man völlig geschunden und am Ende - nicht nur
die Knie und Fußsohlen waren stark geschwollen und steif, sondern
der gesamte Körper schrie förmlich nach einer angemessenen Ruhepause. Doch wir hatten selten mehr als eine dreistündige Verschnaufpause zwischen den einzelnen Marschetappen - und diese
Pause war weder lang genug, um sich zu erholen noch war sie kurz
genug, um den vom Drill hochgepuschten Adrenalinspiegel aufrechtzuerhalten.
Stattdessen kühlte man aus, die Muskeln wurden steif, die Knochen schwer und der permanente Schlafentzug sorgte dafür, dass die
Kräfte immer weniger wurden - eine tödliche Kombination.
Die Ausbilder wussten das nur allzu gut.
Denn das Einzige, wonach sie bei den Rekruten Ausschau hielten,
war die Selbstdisziplin, die man brauchte, um sich jedes Mal wieder
von Neuem aufzuraffen, um sich völlig durchnässt und durchgefroren
in der Dunkelheit durch das Gebirge zu quälen -
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