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Schlamm, Schweiß und Tränen

Schlamm, Schweiß und Tränen

Titel: Schlamm, Schweiß und Tränen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bear Grylls
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dass ich auf den letzten 300
Metern einen Weg benutzt hatte, anstatt direkt durch den Graben zu
marschieren.
    Mit dieser spontanen „Disziplinarmaßnahme" warf er mich nicht
nur eine geschlagene Viertelstunde zurück, sondern ich war jetzt auch
ziemlich erledigt.
    Als ich endlich den Checkpoint verlassen durfte, musste ich dem
Befehl des Ausbilders Folge leisten und durch einen reißenden Gebirgsbach durch hüfthohes Wasser waten, denn er hatte mir verboten,
den schmalen Steg über den Bach zu benutzen. Das war eine reine
Schikane von ihm, mit der er mir zum Abschied noch einmal so richtig eins reinwürgen wollte.

    Denn jetzt war ich klitschnass und musste mich ganz gewaltig ins
Zeug legen. Ich kämpfte mich mit schwankenden Schritten etwa 100
Meter voran, um aus dem Blickfeld des Ausbilders zu verschwinden,
danach sackte ich zu Boden und musste erst einmal zur Ruhe kommen. Ich musste mich einfach ein paar Minuten ausruhen. Ich war
total am Ende.
    Der Ausbilder hatte mich jedoch beobachtet. Er brüllte und beorderte mich zurück.
    ,Willst Du aufhören und die Truppe verlassen, Kumpel?", fragte er.
    Er war noch nicht mal unfreundlich; er war nur sehr direkt. Denn
so wie ich aussah, konnte er unschwer erkennen, dass ich gewaltige
Schwierigkeiten hatte.
    „Nein, Oberfeld."
    Ich rappelte mich auf, drehte mich um und torkelte weiter.
    „Dann streng Dich an und sieh zu, dass Du Zeit gutmachst", rief
er mir noch hinterher.
    Im Wesentlichen sehnte ich mich eigentlich nur danach, dass ein
anderer diese Entscheidung für mich trifft. Ich hegte sogar die leise
Hoffnung, dass er mir noch einmal hinterherbrüllen und mich einfach aus der Gruppe abziehen und durchfallen lassen würde. Aber das
tat er nicht. Denn schließlich hat es sich jeder selbst zuzuschreiben,
wenn er durchfällt.
    Doch irgendetwas tief in meinem Innersten sagte mir: Mach weiter.
    Mir war durchaus bewusst, dass man niemals im Leben etwas
Großes erreichen kann, indem man das Handtuch wirft; und dass
man immer noch genügend Zeit hat, sich auszuruhen, wenn erst einmal die harte Arbeit erledigt ist. Doch das ist leichter gesagt als getan,
insbesondere dann, wenn man völlig ausgebrannt ist.
    Die nächste Etappe werde ich nie vergessen, denn auf diesem
schier endlosen Berghang ging es weiter steil bergauf durch mit Riedgrasbüscheln übersätes sumpfiges Gelände. Ich war total ausgepowert. Ich stolperte ein paar Schritte vorwärts und sank dann unter dem
Gewicht meines Rucksacks auf die Knie.
    Ich hatte das Gefühl, dass ich gleich ohnmächtig werde, denn mir
war ganz schwindlig und ich fühlte mich sehr, sehr schwach - fast genauso, wie man sich fühlt, wenn man mit hohem Fieber darniederliegt und dann versuchen will aufzustehen und zu laufen.

    Und schon wieder knickten meine Beine ein und ich sank auf die
Knie.
    Auf dem Gipfel fühlte ich mich wieder ein wenig besser. Aber nur
ein wenig. Ich versuchte verzweifelt voranzukommen, um Boden und
Zeit gutzumachen.
    Endlich konnte ich die Viertonner-Militärlastwagen sehen, die
unten auf einem kleinen Rastplatz ganz in der Nähe eines Stauwehrs
am Fuß des Berges geparkt waren.
    Ich sauste hinunter zum Stauwehr und checkte am Treffpunkt ein.
    Mir war klar, dass ich zu langsam war, denn ich konnte bereits all
die anderen Rekruten sehen, die dicht zusammengedrängt im Wald
neben dem Eingang zum Stauwehr saßen.
    Feine Rauchfäden stiegen in die Luft von den vielen kleinen faltbaren Esbit-Kochern der Armee, in denen jeweils eine Tasse mit süßem Tee aufgewärmt wurde. Ich wusste ja, wie der Hase läuft. Jeder
Rekrut hantierte still vor sich hin in seiner eigenen kleinen Welt und
versuchte vor dem Nachtmarsch seinen Flüssigkeitshaushalt wieder
aufzufüllen und unter seinem Basha - das ist ein Unterschlupf, den
man sich mit einer wasserdichten Zeltplane baut - oder auf seinem
Lager seine Ausrüstung wieder in Ordnung zu bringen.
    Die Ausbilder sagten kein Wort. Sie schickten mich einfach zu den
anderen hinüber, mit denen ich zusammen auf die Order für den
Nachtmarsch warten sollte.
    Als die Dämmerung hereinbrach, sind wir alle in Marschordnung
angetreten.
    Und dann verkündeten sie wieder einmal: „Okay, die folgenden
Rekruten werden nicht am Nachtmarsch teilnehmen. Ihr habt die
heutige Prüfung nicht bestanden."
    Ich stand da und wartete. Vier Namen wurden vorgelesen.
    Danach richtete der Ausbilder seinen Blick nach vorn und schaute
mich an. Kühl. Distanziert.
    ,,...

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