Schlangenblut (German Edition)
Meinung von Psychotherapeuten.«
Sie blickte auf, um zu sehen, wie er die implizite Beleidigung seines Berufsstands aufnahm. Er aber lächelte nur mit leuchtenden Augen, und sie begriff mit einem Anflug von Eifersucht, dass er an seine Frau dachte und an irgendeinen gemeinsamen, privaten Scherz zwischen den beiden. Kein Mann blickte jemals so drein, wenn er an sie dachte.
Auch wenn Burroughs ihm in diesem Punkt recht nahekam. Wenn sie zusammen waren, starrte er sie mit einer Intensität an, die ihre Haut zum Leuchten brachte, als wäre ein Laserstrahl auf sie gerichtet. Nie wusste sie, ob sein Blick von Liebe oder Hass gespeist war – und sie bezweifelte, dass er selbst es wusste.
Ein lautloses Lachen schüttelte Callahans Kopf. »Lucy glaubt felsenfest an den Nutzen der Psychotherapie, bringt aber nicht die Geduld auf, um dafür lange genug stillzusitzen.«
Er sprach leise und führte sie nach draußen. Geräuschlos schloss er die Tür, bevor er auf zwei Stühle am Ende des Flurs zeigte. »Sind Sie eine der Krankenhaus-Psychologinnen?«
Sie schlenderte mit ihm den Flur entlang und genoss die Art und Weise, wie er sie musterte. Na also. Die Schlacht war schon halb gewonnen.
»Es muss doch ziemlich frustrierend sein für einen Psychologen Ihres Kalibers«, meinte sie und schlug die Beine so übereinander, dass ihr Knöchel um ein Haar den seinen berührt hätte, »ein Stipendium an einem so renommierten Institut aufzugeben, wie Sie es getan haben, als Sie von Virginia hierhergezogen sind, oder?«
Seine Lippen spannten sich an, obwohl seine Miene nichts von ihrer Freundlichkeit einbüßte. Aha, sie hatte einen wunden Punkt getroffen.
»War Ihre Frau gerade wieder auf dem Weg zur Arbeit?«, fragte sie mit einem gezielt eingestreuten Anflug von Besorgnis. »Was ist das für ein Gefühl? Ich meine, wenn Ihre Frau Sie allein lässt, während Megan so krank ist.«
Sein Blick verhärtete sich, während er sich ein wenig zurücklehnte. Sie hatte es zu weit getrieben.
»Sie kommen mir irgendwie bekannt vor, Miss –« Das Schweigen zog sich in die Länge. »Tut mir leid, ich habe Ihren Namen nicht behalten. Und ein Namensschild tragen Sie auch nicht.«
»Ich heiße Cindy.« Sie streckte ihm rasch die Hand entgegen, bevor er weiter über das fehlende Namensschild nachdenken konnte, und nannte den Mädchennamen ihrer Mutter. »Cindy Janluski.«
Er nahm ihre Hand und drückte sie fest, bevor er zu ihrer Verblüffung aufstand und auch sie sanft in den Stand zog. »War nett, Sie kennenzulernen, Cindy.«
Auf dem Weg zum Stationszimmer hakte er ihren Arm ein wie ein Gentleman der alten Schule.
»Ich weiß Ihr Interesse am Wohlergehen meiner Tochter durchaus zu schätzen«, fuhr er im selben melodiösen, an Magnolien und Minze erinnernden Tonfall fort, »aber informieren Sie bitte Ihren Vorgesetzten darüber, dass ich Anzeige erstatten werde, falls ich Sie oder irgendeinen anderen Reporter jemals wieder in der Nähe meines Kindes antreffe. Soweit ich weiß, gilt es als Straftat, die Familie eines FBI -Agenten zu belästigen.«
Bevor Cindy sich ihm entziehen konnte, beugte er sich über den Schreibtisch und sagte zur Stationsschwester: »Würden Sie bitte den Sicherheitsdienst rufen und diese aufdringliche Journalistin entfernen lassen, bevor sie auch noch die Privatsphäre anderer Menschen verletzen kann?«
Cindy entriss ihm ihren Arm so heftig, dass sie fast umkippte. »Ich finde schon selber hinaus. Aber Sie sollten Ihrer Frau klarmachen, dass sie sich besser mit mir arrangieren sollte, wenn sie hier in Pittsburgh etwas erreichen möchte.«
»Sie haben Glück, dass Sie es hier mit mir zu tun hatten und nicht mit meiner Frau«, erwiderte er, während sich ihnen ein schwerfälliger, von Akne gezeichneter Wachmann näherte. »Sie hätte zuerst geschossen und sich erst dann Gedanken über den Papierkram gemacht.«
Er schenkte ihr ein schräges Lächeln, als stellte er sich gerade vor, wie eine Konfrontation zwischen ihr und Guardino ausgehen würde. Aus seiner mitleidigen Miene schloss sie, dass er keinen Zweifel an Guardinos Sieg hatte.
Sie konnte es kaum erwarten zu beweisen, dass beide schieflagen.
KAPITEL 26
Sonntag, 11.53 Uhr
Als Jimmy die Leiter hinabkletterte, die vom Heuboden zur Außenseite der Scheune führte, tropfte ihm der Schweiß vom Gesicht. Doch dass sein Puls in die Höhe geschnellt war und er so schwer schnaufen musste, lag nicht nur an der Hitze in der Scheune oder der Anstrengung, die es
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