Schlangenblut (German Edition)
nur auf demselben Weg möglich war, auf dem der Maestro Ashley gekidnappt hatte. Über Shadow World.
Sie rief im Büro des Sheriffs an und bat darum, sie mit Melissa zu verbinden. »Ich muss die Wahrheit über Jon Tardiff wissen.«
Melissa hustete, und Lucy sah fast bildhaft vor sich, wie die Hand des ehemaligen Models zu ihrer Kehle ging. »Ich habe Ihnen doch schon –«
»Melissa, ich weiß, dass er die ganze Woche in der Stadt war.«
»Es ist nicht so, wie Sie denken. Er hatte mit Ashley nichts zu tun.«
»Dann hat sie ihn nie kennengelernt?«
Melissa schluchzte ins Telefon. »Natürlich hat sie ihn kennengelernt. Er war hier, um mich zu fragen, ob ich ihn heiraten will.«
Zur Hölle, das konnte alles ändern – wenn Ashley diesem Tardiff bei seinem Versuch, die Frau für sich zu gewinnen, auf die er seit Jahren scharf war, im Weg gestanden hätte. »Und was ist dann passiert?«
»Was glauben Sie denn, was passiert ist? Ashley ist völlig durchgedreht und hat gesagt, sie will nicht aus Pittsburgh weg und lieber bei ihrem Vater leben.«
»Aber das ging nicht?«
»Nein, weil Gerald sich geweigert hat, sie aufzunehmen. Er meinte, er hätte ein Recht auf sein eigenes Leben.« In ihren Worten schwang Verbitterung mit. »Und Jon kann seine Arbeit nicht im Stich lassen und einfach hierherziehen.«
»Und was ist mit Ihnen, Melissa? Für wen haben Sie sich entschieden?«
Eine lange Pause entstand, in der nichts außer Melissas Atem zu hören war. »Ich habe Jon erklärt, dass wir warten müssen. Bis Ashley erwachsen ist und auf eigenen Füßen steht. Ich habe mich für meine Tochter entschieden.«
Scheiße, Scheiße, Scheiße. »Warum haben Sie mir das denn nicht schon früher erzählt?«
»Ich konnte doch nicht zulassen, dass Sie denken … Jon hatte mit alldem nichts zu tun. Das kann gar nicht sein.«
»Geben Sie mir seine Nummer. Die, die Sie benutzen. Die Privatnummer.«
»Woher wissen Sie von der?«
Weil sie nicht dumm waren und Tardiffs registriertes Handy in jüngster Zeit nicht benutzt worden war. Lucy sparte sich die Erklärung. Stattdessen notierte sie die Nummer, die Melissa ihr gab, und bat den Polizisten, der bei Melissa war, sie bis auf weiteres von sämtlichen Telefonen fernzuhalten.
Sie wandte sich an Taylor. »Sieht so aus, als hätten wir vielleicht unseren Mann.«
Er drehte sich von seinem Computer weg. »Ohne Scheiß? Ist ja super. Und was machen Sie jetzt?«
»Als Erstes müssen wir wissen, wo er ist. Können Sie die Jungs bitten, sein Handy zu überwachen?« Taylor verstand sich mit den Hightech-Leuten besser als Lucy, weil er ihre Sprache sprach.
Er ging ans Telefon und plapperte eifrig drauflos.
Bobby hämmerte weiter auf seine Tastatur ein. Er schwitzte und zitterte am ganzen Körper. Lucy bückte sich, bis sie mit ihm auf Augenhöhe war, und legte ihre Hand auf seine. Bobbys Hand flatterte wie eine in einem Weckglas gefangene Motte. Er riss sich vom Monitor los und starrte sie an.
»Sollten Sie nicht mal Pause machen? Vielleicht hätte ich Sie da besser doch nicht reinziehen sollen.«
Er biss entschlossen die Zähne zusammen. »Nein, mir geht’s gut. Mein Körper überreagiert nur manchmal, wenn mich etwas emotional stark mitnimmt.« Er verzog verlegen das Gesicht. »Dann spielt ein Teil der Nerven und Reflexe verrückt.«
»Ich weiß, wie sich das anfühlt, und das, obwohl ich keine Entschuldigung dafür habe. Darf ich Ihnen etwas zeigen, was mein Mann mir beigebracht hat? Er ist Psychologe und arbeitet mit Soldaten und anderen Menschen, die unter starken Belastungen stehen.«
»Sie meinen zum Beispiel Leute, die bei einer Explosion ihre Beine verloren haben oder so?«
»Genau. Schließen Sie einfach kurz die Augen und konzentrieren Sie sich auf Ihre Atmung.« Sie sprach mit betont ruhiger, gleichmäßiger Stimme wie Nick bei solchen Gelegenheiten und führte ihn durch eine kurze Übung mit tiefen Atemzügen. Sie funktionierte, wenn man sich einen Augenblick Zeit nahm und sich darauf konzentrierte. Das einzige Problem war, dass Lucy nie die Zeit dafür zu finden schien, wenn sie sich am meisten unter Druck fühlte.
Wie vor kurzem, als sie vor dem Krankenzimmer ihrer Tochter über ihren Mann hergefallen war.
Als Bobby tiefe, beruhigende Atemzüge tat, massierte sie seine Hand zwischen ihren und strich über die Druckpunkte, die Nick ihr gezeigt hatte. Sie spürte, wie ihre eigene Anspannung nachließ. Es fühlte sich ausgesprochen gut an, die Last von ihren
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