Schlangenblut (German Edition)
ihn gekostet hatte, die Eimer voller sich windender Reptilien, die er entführt hatte, hochzuschleppen.
Es waren Ashleys Schreie, die ihn verfolgten. Als sie nach ihrem Vater gerufen hatte, war er beinahe zusammengebrochen.
Er schaute auf seine Armbanduhr. Den Büchern zufolge hätte es Stunden, möglicherweise sogar Tage dauern müssen, bis ihr Wille gebrochen war. Dabei waren es nur sechs Minuten und siebenundzwanzig Sekunden gewesen.
Er wischte sich Tränen und Schweiß von den Wangen und schaute auf die geschlossene Scheunentür hinter ihm. Er konnte den Gedanken, dass Ashley leiden musste, nicht länger ertragen.
»Ich komme, mein Schatz«, rief er, als er auf das Gehöft zurannte, obwohl er wusste, dass sie ihn nicht hören konnte. »Bin schon unterwegs.«
Er brauchte nur ein paar Minuten, um seine Vorbereitungen abzuschließen. Bevor er das Haus verließ, warf er noch einen letzten Blick auf den Monitor. Ashley lag absolut reglos da, während die schwarzen Schlangenleiber über sie glitten. Ihre Augen waren offen, doch sie zwinkerte nicht, sondern starrte nur mit ausdruckslosem Gesicht vor sich hin.
»Ist ja gut.« Sie war so stark, so tapfer gewesen. Sie war seine Liebe wert, hatte sie sich verdient. »Jetzt ist ja alles vorbei.«
Sein Telefon klingelte. Verdammt. Die Arbeit.
Stirnrunzelnd blickte er auf ihr Bild auf dem Monitor.
Nur noch ein Weilchen.
»Ich verspreche es.« Jimmy küsste seine Finger und legte sie auf den Bildschirm. Dann nahm er seine Autoschlüssel und rannte los.
***
Lucy rief von unterwegs Bobby Fegley an und erklärte ihm ihre Theorie. Er war ganz aufgeregt, als ihm klarwurde, dass er womöglich helfen konnte. Als sie in seinem Haus ankamen, begrüßte sein Vater sie an der Tür, um sie dann in Bobbys Zimmer zu begleiten, wo Bobby bereits fieberhaft am Arbeiten war.
»Nette Ausrüstung«, flüsterte Taylor anerkennend, als er seinen Laptop aufklappte und sich zu Bobby gesellte. »Ich wette, ich habe ein paar Spielzeuge, die dir gefallen werden.«
Dann begannen sie, sich in ihrem Computer-Fachchinesisch zu unterhalten, wobei sie einander immer wieder ins Wort fielen. Lucy schaute ihnen ein paar Minuten lang zu, während auf dem großen Monitor eine Website nach der anderen erschien und sie versuchten, dem Erschaffer von Shadow World auf die Spur zu kommen.
»Warum ist der Kerl eigentlich so schwer zu finden? Ich dachte immer, diese Typen genießen es, im Mittelpunkt zu stehen«, sagte sie schließlich hinter den beiden. Bobbys Halsmuskulatur war angespannt. Sie hoffte, dass es kein Fehler gewesen war, ihn mit einzubeziehen, aber niemand sonst kannte das Computerspiel oder Ashley so gut wie er. »Träumen diese Leute nicht davon, dass sie durch die Erfindung eines erfolgreichen Spiels berühmt werden?«
»Die meisten bestimmt«, antwortete Taylor. Bobby schwieg mit zusammengebissenen Zähnen. Er hatte Schweiß auf der Stirn. »Aber einige werden lieber zu Kultfiguren. Nehmen eine geheime Identität an wie Superhelden.«
»Gilt das auch für diesen Typen? Für diesen Maestro?«
»Nein«, stieß Bobby angespannt hervor. »Nein, der versteckt sich.«
»Mach dir mal keine Sorgen, Draco«, meinte Taylor, der auch für Bobby schon einen Spitznamen gefunden hatte wie für jeden. Außer für Walden, wie Lucy aufgefallen war. Walden war für alle einfach nur Walden, selbst für den überdrehten Taylor. »Vor mir kann er sich nicht verstecken. Jedenfalls nicht lange.«
»Können Sie mir sagen, ob es Tardiff ist?«, fragte sie in der Hoffnung, etwas zu finden, was sie zu Ashley führte.
»Nein, so funktioniert das nicht«, meinte Taylor. Er schwieg, als suche er nach Worten, mit denen er einem Technikfeind den Cyberspace erklären konnte. Sie gab ihm mit einem Wink zu verstehen, dass er sich besser wieder an die Arbeit machte, und ging weiter im Zimmer auf und ab, während sie mit Walden telefonierte.
»Irgendeine Spur von Tardiff?«
»Nein. Die Pittsburgher Polizei hat sich in seinem Zimmer umgesehen, aber das war leer. Er hatte es nur für diese Woche gemietet, musste es also heute räumen. Vielleicht ist er nach Hause gefahren.«
Vielleicht. Oder dorthin, wo Ashley war. »Bitten Sie die Kollegen in New York, seine Wohnung zu überwachen. Ich spreche inzwischen mal mit Melissa, um zu erfahren, was da wirklich abläuft.«
Sie wäre lieber persönlich zu ihr gefahren, wollte aber Taylor und Bobby nicht allein lassen. Sie hatte das Gefühl, dass ein Durchbruch in diesem Fall
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