Schlangenblut (German Edition)
für dich dabei als Belohnung eine Art Schutz für Megan heraus. Wir Psychologen nennen das magisches Denken.«
»Besten Dank, deine Psycho-Scheiße ist wirklich das Letzte, was ich jetzt brauchen kann.«
»Also gut, sagen wir mal, du rettest diese Ashley. Was passiert, wenn dir das bei der Nächsten oder Übernächsten nicht gelingt? Wo hört das alles auf? Du kannst sie niemals alle retten.«
Sie starrte ihn an, ohne zu merken, dass ihre Schusshand auf ihrer Hüfte ruhte, wo sonst ihr Pistolenholster war. Nick aber fiel es auf. Er schaute ostentativ auf ihre Hand, bevor er sie in seine Hände nahm, um ihr Zittern zu stoppen.
»Du kannst nicht die ganze Welt retten, Lulu«, sagte er mit einer Stimme voller Sehnsucht und Schmerz. »Aber du kannst deiner Tochter helfen, das hier zu überstehen. Und mir. Du kannst mir helfen. Ich brauche dich. Wir beide brauchen dich.«
Aus seinem Gesicht sprach tiefe Besorgnis. Wie sollte sie ihm erklären, dass sie ohne ihre Arbeit keine Kraft für ihre Familie hätte? Wenn sie in ihrem Beruf sah, was sie sah, und das wenige tat, was sie tun konnte, um Verbrecher aufzuhalten, dann war das nicht etwas, das sie nur tun wollte – sie musste es tun.
Sie hatte ihm keine rationale Erklärung zu bieten – nichts, was er hätte analysieren können, ohne es zu verdrehen und als Unfug hinzustellen. Alles, was sie tun konnte, war, den Kopf zu schütteln und ihm dabei in die Augen zu schauen in der Hoffnung, dass er sie verstand. Sie entzog ihm ihre Hand und trat zurück.
»Für mich wird’s höchste Zeit.« Sie lief die Treppe hinab in der Gewissheit, dass sich sein Blick bei jedem ihrer hallenden Schritte in ihren Rücken bohrte.
***
»Soll ich versuchen, ihnen zu folgen?«, fragte Cindys Kameramann Felix, als Guardino aus dem Eingang des Krankenhauses gerannt kam und in einen schwarzen Chevrolet Blazer sprang.
Cindy sah zu, wie der Geländewagen wegfuhr. »Nein. Warte hier. Ich gehe jetzt erst mal zur Familie.«
Er stattete sie mit einer Minikamera aus, die in einer Brosche verborgen war. Sie nahm sich einen weggeworfenen Besucherausweis aus dem Abfalleimer vor dem Eingang. Die Sicherheitsmaßnahmen in Krankenhäusern waren überall ein Witz. Sie lächelte, als sie an die Exklusivmeldung dachte, die ihre Spürnase ihr einbringen würde.
Sie betrat das Krankenhaus und stand wenige Minuten später im dritten Stock vor Megan Callahans Krankenzimmer.
Die Tür war offen. Innen lag auf mehreren Kissen ein schlafendes junges Mädchen. Auf dem Fernseher am Fußende des Bettes lief ein Videospiel im Stand-by-Modus, die bunten Farben eines Bildschirmschoners wirbelten über den Monitor. Neben dem Mädchen lag mit geschlossenen Augen ein Mann, dessen Hand den Arm der Kleinen in einem beruhigenden Rhythmus tätschelte. Er hatte den schlanken Körperbau eines Leichtathleten – nicht übertrieben muskulös, aber drahtig – und rotgoldene Haare, die auf anziehende Weise ganz leicht gewellt waren. Und er wirkte jünger als die neununddreißig Jahre, die er, wie sie wusste, bereits auf dem Buckel hatte.
Cindy hatte ihre Hausaufgaben gemacht und alles in Erfahrung gebracht, was über Nick Callahan und seine Frau herauszufinden war. Es zahlte sich immer aus, den Feind zu kennen.
Sie knöpfte die Jacke ihres Kostüms auf, überprüfte, ob die Minikamera in ihrer Brosche freie Bahn hatte, und drückte die Tür auf, die dabei ein wenig knarrte.
Callahan öffnete schlagartig die Augen, ließ seine Tochter los und setzte sich auf. »Ja?«
»Tut mir leid, Dr. Callahan, ich kann auch später wiederkommen«, sagte sie mit unschlüssiger Stimme, während sie trotzdem ins Zimmer trat. »Ich bin unten zufällig Ihrer Frau begegnet, und die hat leider nicht erwähnt, dass Sie schlafen.«
Er glitt vom Bett und umrundete es. Er überragte ihre eins achtundsiebzig zwar gerade mal um zwei oder drei Zentimeter, wirkte aber aufgrund seiner selbstsicheren und anmutigen Art, sich zu bewegen, deutlich größer. Konnten Männer überhaupt anmutig sein? Elegant war wohl das bessere Wort. Sie hatte urplötzlich das Bild eines Edelmanns aus dem achtzehnten Jahrhundert vor Augen und wusste instinktiv, wie sie vorgehen musste. In diesem Fall war Sex ausnahmsweise einmal nicht das richtige Mittel, um zu kriegen, was sie von einem Mann wollte.
»Ich fürchte, ich habe keinen besonders guten Eindruck auf Mrs Callahan gemacht«, sagte sie und schaffte es, dabei ein wenig zu erröten. »Sie hat keine allzu hohe
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