Schlangenblut (German Edition)
Karriere bedeutet Ihnen alles, nicht wahr, Lucy? Ihre Tochter liegt im Krankenhaus, und Sie haben sie allein gelassen, weil Ihre Arbeit Ihnen wichtiger ist. Sie wissen doch gar nicht, was es heißt, Mutter zu sein.«
»Wagen Sie es nicht, von meiner Tochter –« Lucys Faust drohte das kleine Plastiktelefon zu zerquetschen.
»Sie haben doch nicht etwa Angst vor der Wahrheit? Wer von uns beiden ist denn hier der Feigling?« Dann legte er auf.
Burroughs lauschte stirnrunzelnd seinem eigenen Handy und steckte es dann in die Tasche. »Er hatte recht, Taylor konnte das Handy nicht lokalisieren. Warum haben Sie ihn so in die Ecke getrieben?«
Lucy steckte Alicias Telefon in eine Asservatentüte. Vielleicht gelang es Taylor ja, etwas Nützliches darin zu finden. Oder noch besser …
»Sie müssen mit Ihrem TV -Girl sprechen. Überreden Sie sie, uns ihre Telefone überwachen zu lassen. Und lassen Sie sie beschatten.«
»Cindy? Warum das denn?«
»Wenn Fletcher zu clever ist, um direkt an mich heranzutreten, wird er sie dazu benutzen. Genau wie seine Mutter es getan hat.«
»Wovon reden Sie überhaupt? Wir haben doch das Interview arrangiert, nicht Alicia.«
Lucy bückte sich und zeigte auf einen zusammengeknüllten Medikamentenbecher aus Pappe, der unter Alicias Stuhl lag. Mehrere Pillen in verschiedenen Größen und Formen waren auf den Boden gekullert.
»Irrtum. Alicia hat uns alle manipuliert, so wie sie ein Leben lang Fletcher manipuliert hat.«
»Scheiße, die alte Hexe hat sich umgebracht.« Burroughs stieß einen leisen Pfiff aus. »Mann, was für eine durchgedrehte Familie.«
»Das können Sie laut sagen.« Lucy ließ den Medikamentenbecher an Ort und Stelle liegen und setzte sich auf die Fersen.
»Und was wollen Sie jetzt machen?«
»Wir lassen den Rechtsmediziner erst einmal alles dokumentieren.« Sie stand wieder auf. »Danach ist Fletcher am Zug. Aber ich wette, er geht auf Ames zu, weil er mich vor aller Öffentlichkeit für Alicias Tod verantwortlich machen will.«
Burroughs runzelte die Stirn.
»Können Sie dafür sorgen, dass Ames nicht aus der Reihe tanzt? Wenn sie erfährt, dass wir sie benutzen, sind wir aufgeschmissen.«
Er zögerte. Sie schaute ihm in die Augen, als wollte sie ihn davor warnen, sie zu enttäuschen, und er nickte schließlich.
»Also gut, ich kümmere mich darum. Sie wird für uns schon nicht zum Problem.«
»Ashley Yeagers Leben könnte davon abhängen.«
Er wandte den Blick ab und starrte den Leichnam auf dem Bett an. »Ich weiß.«
KAPITEL 35
Sonntag, 22.04 Uhr
Cindy fuhr sich durchs Haar und straffte die Schultern. Zuerst würde sie im Dreiviertelprofil ins Bild kommen, da sah sie am besten aus. Dann würde die Kamera einen Schwenk machen und sie von vorn aufnehmen. Das war genau das, wofür sie lebte und was auch alles andere lebenswert machte – die Zeit, in der sie auf Sendung war.
In diesen Minuten konnte sie Millionen von Menschen beeinflussen, ihre Gedanken und Gefühle. Ja sogar das, was sie zum Frühstück aßen.
Und das Beste an allem war, dass diese Menschen sie zu sich nach Hause einluden. Sie wollten sie .
Sie schürzte die Lippen, entspannte ihre Nackenmuskeln und wartete darauf, dass der Wochenend-Moderator der Nachrichtensendung mit seiner Ansage fertig wurde. Dank des FBI lief ihr vorgefertigtes Filmmaterial auf jedem Lokalsender, doch hier bei WDDE bekam sie zusätzliche drei Minuten Sendezeit für eine Live-Einleitung, mit der sie die Geschichte möglichst schmackhaft verpacken sollte.
Nach dieser Nacht würde sie berühmt sein. Die Story war perfekt. Sie war gleichzeitig sexy, gruselig und schmutzig, und mit einem Bundesbeamten, der zum Bösewicht mutiert war, würde ihr Beitrag bestimmt landesweit ausgestrahlt werden. Und wenn man die Kleine erst mal tot auffand, war vermutlich sogar eine halbstündige Sondersendung zur Primetime drin.
Das rote Licht an Kamera eins leuchtete auf, und Cindy legte los. Während sie Stimme und Augen gleichermaßen einsetzte, um ihre Geschichte zu verkaufen, spürte sie, wie ihr im Unterleib ganz warm wurde. Sie presste unter dem Tisch die Schenkel zusammen. Gott, das war besser als Sex.
Und dann war es vorbei. Die Kameras waren wieder auf den Sprecher gerichtet, und sie saß nicht mehr im Scheinwerferlicht, während Leute von der Technik herbeieilten, um ihr das Mikro abzunehmen und sie vom Set zu komplimentieren, damit sie die nächste Einstellung vorbereiten konnten. Sie stieg über die mit
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