Schlangenblut (German Edition)
aber richtig anwesend zu sein.
Doch das gehörte alles zum Prozess dazu. Er musste einfach Geduld haben.
»Weißt du noch, wie ich dir gesagt habe, dass wir den Bullen nicht trauen dürfen?«, fragte er, ohne eine Antwort zu erwarten. »Aber ich glaube, ich habe eine Idee, wie wir Bobby davon abhalten können, jemals wieder einem Menschen weh zu tun.« Er hielt inne und schaute zu ihr hinüber, hoffte, sie würde ihm irgendwie signalisieren, dass sie ihn gehört hatte und interessiert war an dem, was er zu sagen hatte.
Da hatte er sich die ganze Arbeit gemacht, und jetzt saß ein Zombie neben ihm. Er hupte grundlos, aber sie zuckte nicht zusammen, zwinkerte nicht einmal.
»Bobby hat eine Bekannte, die ihm hilft, Mädchen zu finden – Mädchen wie dich. Sie ist durch und durch böse.« Ashley zuckte in ihrer Gleichgültigkeit nicht einmal mit den Achseln, sondern starrte einfach nur geradeaus, die Augen halb geschlossen. »Wir werden sie bald treffen. Und dann töten wir sie.«
KAPITEL 36
Sonntag, 22.37 Uhr
Lucy stöhnte, als sie hörte, welchen Treffpunkt Fletcher ausgesucht hatte. Der Mann war zwar ein Psychopath, aber alles andere als dumm.
Sie war schon mit Megans Fußballmannschaft in dieser Sportanlage gewesen. Zwei Fußballfelder erstreckten sich auf offenem Gelände nebeneinander, ohne dass es eine Möglichkeit gegeben hätte, einen Hinterhalt zu legen. Schlimmer noch: Die Plätze lagen mitten in einem Wald, der von zahlreichen Joggingpfaden durchzogen war, die unmöglich in der kurzen Zeit alle überwacht werden konnten.
Lucy war also ziemlich aufgeschmissen, sofern ihr nicht eine geniale Idee kam. Fletcher ging vermutlich davon aus, dass sie da sein würden, konnte er doch kaum darauf vertrauen, dass Ames sich nicht mit ihnen in Verbindung setzte. Und Fletcher war mit den Vorgehensweisen der Polizei bestens vertraut.
Vielleicht war es an der Zeit, sich über die Regeln hinwegzusetzen. In der Liebe und im Krieg gab es keine Fairness. Und da sie am nächsten Morgen ihren Job los sein würde, befand sie sich hier definitiv im Krieg.
Sie hatte alle möglichen Leute angerufen, die ihr noch etwas schuldig waren, und einen wahren logistischen Alptraum in Gang gesetzt. Dann rief sie Burroughs zurück. Offiziell führte die Polizei von Pittsburgh den Einsatz durch – sie selbst würde nicht einmal dabei sein, zumindest nicht offiziell.
»Der einzige Parkplatz liegt am Eingang Nicholson Street«, erklärte sie ihm. »Bringen Sie Ames dort rein. Aber sorgen Sie dafür, dass ihr Kameramann und der Übertragungswagen mindestens einen Block entfernt parken; eine Zivilistin, um die wir uns Sorgen machen müssen, ist mehr als genug.«
»Wird Fletcher nicht den Parkeingang überwachen?«
»Klar. Deswegen benutzen wir ihn ja. Wenn wir ihn besetzen, kann er diesen Eingang – und wichtiger noch, diesen Ausgang – nicht mehr nehmen. Damit schränken wir schon mal seine Möglichkeiten ein.«
»Und wenn er gar nicht auftaucht?«
»Glauben Sie mir, der kommt. Wir spielen sein Spiel, und er ist der Maestro, schon vergessen?«
»Hat der Gerichtsmediziner im Pflegeheim was gefunden?«, fuhr Burroughs fort.
»Offenbar war Alicia nicht so schwach und gebrechlich, wie sie tat. Sowohl das Handy als auch die Medikamente, von denen sie eine Überdosis geschluckt hat, sind von ihrer Zimmernachbarin geklaut.«
»Hab ich was verpasst? Wie wollen Sie das denn jetzt durchziehen?«, fragte Burroughs. »Haben Sie ein Double für Cindy? Wollen Sie sich hier in meinem Wagen in sie verwandeln?«
Sie selbst als Double für Cindy? Nur wenn Lucy innerhalb der nächsten zehn Minuten fünfzehn Zentimeter an Größe zulegen und sich einer Gesichtsoperation unterziehen könnte. Burroughs hatte anscheinend keine Ahnung, wie weit sie bereits vom rechten Dienstweg abgewichen war. Sie nahm schon seit einiger Zeit keine Anrufe von John Greally, Grimwald und dem Pressesprecher der Pittsburgher Polizei mehr entgegen.
Zum Glück war der Leiter der Spezialeinheit noch nicht eingeweiht, denn sonst hätte er gewusst, dass sie so gut wie suspendiert war, wenn nicht sogar gekündigt.
Aber damit musste sie sich erst morgen auseinandersetzen. Und wahrscheinlich danach noch viele Tage. Doch das spielte alles keine Rolle, wenn sie Ashley nur lebend aus der Sache herausholte.
»Bringen Sie sie einfach zum Parkplatz, und dann sprechen wir alles durch«, antwortete sie Burroughs.
Burroughs zögerte – eine für ihn durchaus untypische
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