Schlangenblut (German Edition)
Sie sagten, er hat Ihnen Ihre Waffe abgenommen. Haben Sie noch eine zweite?«
Ihre Baby-Glock lag in ihrem Wagen, und der stand vor dem FBI -Gebäude. Sie hob ihre Handtasche und spürte das Gewicht der .32er. »Ich bin versorgt.«
»Der Fahrer des Krankenwagens meinte, die Kleine hätte auf Sie gezielt, als sie angekommen sind. Und dass Fletcher keine Waffe hatte.«
»Der irrt sich.«
»Und Sie sind eine verdammt schlechte Lügnerin, Guardino.«
Lucy hörte seinen verärgerten Unterton heraus und wusste, dass er noch immer wütend auf sie war, weil sie Ames als Köder benutzt hatte. Aber sie dachte gar nicht daran, Mitleid mit der Reporterin zu empfinden, die sich bei dieser Aktion eine quotenträchtige Exklusivstory gesichert hatte. »Will Ames wirklich Anzeige erstatten?«
Er zuckte mit einer Schulter, während sein Blick am Krankenwagen vorbei zu der Stelle schweifte, wo Ames und ihr Kameramann begierig einen der Männer von der Spezialeinheit interviewten. »Nur wenn sie dadurch eine noch bessere Story kriegt. Aber sie erwartet garantiert Schadenersatz.«
»Für welchen Schaden denn? Ihr habt doch das Projektil in der Erde gefunden. Ashley hat nicht mal auf sie gezielt.«
»Seidenbluse, Donna-Karan-Kostüm und ein Paar Manolo Blahniks. Sie meint, sechs Riesen müssten reichen.«
»Sechstausend? Dollar? Für Schuhe – wenn sie eine Sekunde nachdenkt –« Lucy hielt inne und brach in schallendes Gelächter aus. »Soll sie’s doch ruhig versuchen. Was geht mich das an? Ich bin wahrscheinlich sowieso arbeitslos.«
»Niemals, Sie sind die Heldin, Sie haben Ashley das Leben gerettet.«
Sie schüttelte den Kopf und sah zu, wie die Sanitäter Ashley auf ihrer Bahre über den Platz zum Krankenwagen trugen. »Nicht ich, sondern Sie, Burroughs. Offiziell war ich heute Nacht nicht einmal hier.« Sie deutete mit dem Kopf auf Ames. »Machen Sie schon, seien Sie ein Held. Das soll recht nützlich sein, wenn es darum geht, Frauen aufs Kreuz zu legen.«
Dann stieg sie zu Ashley in den Krankenwagen. Er blickte ihr nach, doch zu ihrer Verblüffung setzte er nicht das wölfische Grinsen auf, das sie von ihm erwartet hatte; stattdessen runzelte er die Stirn und kratzte sich am Kopf. Als würde er tatsächlich über sein Verhältnis zu Ames nachdenken.
»Vielleicht ist ja doch noch nicht Hopfen und Malz verloren«, murmelte sie vor sich hin, als der Sanitäter die Tür zuschlug.
Sie griff nach Ashleys Hand mit der Infusion und streichelte sie geistesabwesend. Ashleys Fingernägel waren rissig, ihre Hände schmierig vom Schweiß, ihre Finger kalt. Winzige Bissspuren zogen sich über jeden Quadratzentimeter freiliegender Haut, einige waren einfach nur Rötungen, andere hatten ihr die Haut aufgerissen.
»Allmächtiger.« Die Sanitäter wandten sich beim Anblick der Schlangenbisse ab und stießen die Luft aus. Lucy war sich nicht sicher, ob sie den Allmächtigen anflehten oder verfluchten.
Sie nahm Ashleys Hand, pustete darauf und rieb sie wieder warm, wie bei Megan, wenn sie nach einem Fußballspiel im Regen nach Hause kam. »Das wird schon wieder, Ashley.«
Ashley regte sich nicht, abgesehen davon, dass vielleicht ihr Atem ein klein wenig gleichmäßiger ging. Und vielleicht bogen sich auch ihre Finger ein bisschen in Lucys Händen. Lucy behielt Ashleys Hand in einer von ihren und strich mit der anderen das verfilzte Haar des Mädchens glatt. Zu ihrer Überraschung kamen Ashley die Tränen. Sie schluchzte nicht und gab auch sonst keinerlei Geräusch von sich, aber ihre Tränen flossen, als wäre ein Damm gebrochen.
»Bitte«, flüsterte Ashley, die auch weiterhin jeden Blickkontakt zu Lucy vermied. »Ich bin nicht Ashley. Ich bin nicht das Mädchen, das Sie suchen. Bitte lassen Sie mich gehen. Bringen Sie mich nicht zurück.«
»Zurück wohin, Ashley?«
»Zurück zum schwarzen Ort.«
Lucy dachte an die Scheune mit ihrem Gestank nach Tod und den reptilischen Werkzeugen des Schreckens. »Zurück in die Scheune? Keine Angst, dorthin musst du nie wieder.«
Ashley schüttelte den Kopf und wich entsetzt vor ihr zurück. »Ich kann nicht, ich kann nicht weg – er hat versprochen, dass ich bei ihm sicher bin. Bringen Sie mich zu Jimmy, bringen Sie mich wieder zu Jimmy!«
Sie stürzte sich nach vorn und riss dabei fast ihren Infusionsschlauch heraus, bevor Lucy und der Sanitäter sie festhalten konnten. Sie schlug wild um sich, fletschte angriffslustig die Zähne wie ein wildes Tier, fauchte und spuckte. Der
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