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Schlangenblut (German Edition)

Schlangenblut (German Edition)

Titel: Schlangenblut (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C. J. Lyons
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ihn doch bloß kennengelernt hättest. Und sei es nur für einen Tag. Ihm nahe zu sein war, wie der Sonne nahe zu sein. Er strahlte so hell, dass man manchmal die Augen schließen musste, um nicht von seiner Schönheit geblendet zu werden.« Ihre Hand schloss sich um seinen Arm. »Ich hätte für diesen Mann alles getan.«
    »Und warum ist er nach meiner Geburt nicht bei dir geblieben?«
    Sie richtete sich auf, ließ seinen Arm los, zog die Hand weg und ließ ihn kalt und allein zurück. Diese Frage gehörte nicht zu ihrem Ritual. Noch nie hatte er sie zu stellen gewagt, aber er musste es wissen.
    »Ich weiß nicht, wovon du sprichst«, blaffte sie und ließ dabei nach jedem Wort ihre dritten Zähne klickend aufeinanderschlagen. »Wenn du so von deinem Vater sprichst, solltest du vielleicht besser zu deinem Mädchen gehen und mich vergessen.« Sie kippte den Stuhl von ihm weg.
    »Tut mir leid, Mom. Bitte schick mich nicht weg.« Er kniete sich neben sie und streckte die Hände nach ihr aus, aber sie schlug sie weg, ohne sie zu sehen.
    »Warum nicht? Wenn ich sterbe, bist du sowieso ganz allein.«
    Ihm wurde eiskalt ums Herz. »Das darfst du nicht sagen. Du kannst mich doch nicht verlassen!«
    »Ein Mann ist nichts ohne seine Familie. Das hat mich dein Vater gelehrt.«
    »Bitte erzähl mir mehr. Über meinen Vater und darüber, wie er dich gerettet hat.«
    »Aah … dein Vater.« Ein verirrter Sonnenstrahl schoss an ihr vorbei, so dass ihr Gesicht im Dunkeln blieb und die Illusion von Jugendlichkeit vermittelte. »Du wirst nie auch nur halb so wunderbar sein wie er. Niemals.«
    Jimmy wusste darauf keine andere Antwort, als den Kopf in ihren Schoß zu legen, während er auf dem harten, kalten Boden kniete. Endlich gab sie nach und fuhr ihm mit den Fingern durchs Haar. »Du armer, armer Junge. Du wirst nie eine Frau finden, die für dich so gut ist wie ich. Vielleicht wärst du besser auch tot, jetzt, wo ich bald sterbe.«

KAPITEL 5
Samstag, 10.04 Uhr
     
    Verdammt, sie hatte schon manchen Aufruhr erlebt, aber selten ein derartiges Chaos. Lucy drückte auf die Hupe und zog damit die Aufmerksamkeit des Streifenpolizisten an der Straßensperre auf sich. Keine drei Meter von ihm entfernt stellte ein Fernsehteam seine Ausrüstung auf. So etwas geschah, wenn ein Fall von Sekunde zu Sekunde kälter wurde und eine Ermittlung sich von einer Sachakte zu einem Politikum und schließlich zu einem ausgewachsenen Medienereignis entwickelte.
    Und das alles, weil das Leben eines Mädchens auf dem Spiel – und jetzt auch im Rampenlicht – stand.
    Das Viertel war ein Wohngebiet der oberen Mittelschicht in Plum Borough, einem Vorort nordöstlich von Pittsburgh. Große Naturstein- und Backsteinhäuser zwängten sich auf kleine Grundstücke an Straßen mit Namen wie Deer Run oder Pheasant Way. Die Gegend war umgeben von Ackerland und Wäldchen, die zu Beginn der nächsten Bauphase von Bulldozern plattgewalzt würden.
    Lucy sah Polizeiautos aus Plum Borough, vom Sheriff von Allegheny County, aus dem benachbarten Monroeville und von der Staatspolizei. Zwischen den Streifenwagen, die die Sackgasse versperrten, standen in wildem Durcheinander mehrere Zivilfahrzeuge: braune Fords der Staatspolizei, weiße Chevrolet Impalas vom Pittsburgher Polizeirevier.
    Im Zentrum befand sich das große schwarze Wohnmobil, das sich mit leuchtend gelben Lettern – so groß, dass sie aus einem Block Entfernung lesbar waren – als Fahrzeug der Einsatzleitung auswies. Es stand auf der Einfahrt eines beigefarbenen, zweistöckigen Hauses ohne Veranda mit einer strengen, abweisend wirkenden Bepflanzung.
    Schlimmer waren die beiden Nachrichtenfahrzeuge am Ende der Straße. Sie fragte sich, wer sie wohl gerufen hatte. Wer war derart scharf darauf, im Rampenlicht zu stehen? Schließlich hatten sie nicht mehr zu bieten als eine Beschreibung des vermissten Mädchens – da kein Fahrzeug in die Sache verwickelt war, hatten sie nicht einmal ein Kennzeichen, nach dem sie fahnden konnten.
    Lucy klopfte mit ihrem Ehering gegen das Lenkrad und stieß eine Reihe von Schimpfwörtern aus. War dies doch ihre letzte Chance, sich abzureagieren, denn ihr Job verlangte von ihr auch, zu all den anderen Jungs von der Truppe nett zu sein.
    Sie stieg aus dem Wagen und ging auf den Streifenpolizisten zu. Seine Wangen waren gerötet, und der Schweiß lief ihm unter dem Hutband hervor, als er zu ihr herumwirbelte. »Lady, setzen Sie sich wieder in Ihr Auto!«
    Angesichts des Lärms

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