Schlangenblut (German Edition)
Ames’ Augen sprach die pure Gier. Sie griff in ihren Wagen und holte einen kleinen Digitalrekorder heraus.
»Nett, Sie kennenzulernen, Agent Guardino.« Ihre Absätze klackerten über den Asphalt, während sie auf Lucy zuging. Sie blickte kurz zu Burroughs, der sich mit den Armen auf das Dach seines Wagens stützte und mit teilnahmsloser Miene zusah, abgesehen von einer Augenbraue, die er skeptisch in ihre Richtung hochgezogen hatte. Ames bedachte ihn mit einem finsteren Blick, bevor sie sich wieder Lucy zuwandte. »Erzählen Sie mir etwas über Ashleys tragisches Verschwinden. Ist sie tot? Verdächtigen Sie den Vater?«
Lucy ignorierte Ames’ vorgestreckte Hand, mit der sie den Rekorder dicht an ihr Gesicht hielt. Stattdessen starrte sie geradewegs in die wie für die Kamera geschminkten Augen der Reporterin. »Wir gehen allen Möglichkeiten nach. Wie kommen Sie darauf, dass wir den Vater verdächtigen oder Ashley tot ist?«
Ames blinzelte, als wäre sie es nicht gewohnt, dass jemand auf ihre Fragen antwortete, geschweige denn ihr Verhör zu einem Dialog machte. »Na ja, nachdem so viel Zeit vergangen ist, spricht vieles dafür, dass Ashley tot ist. Und die Familienangehörigen sind in solchen Fällen immer verdächtig, vor allem der andersgeschlechtliche Elternteil. Außerdem ist sexueller Missbrauch nichts Ungewöhnliches.«
»In solchen Fällen? Was meinen Sie damit?«
»Bei einem vermissten Kind, besonders aus zerrütteten Verhältnissen wie bei Ashley. Dieser Vater hat doch was zu verbergen. Kindesmissbrauch oder Schlimmeres.«
»Sie haben also Grund, anzunehmen, dass Ashley tot ist?«
»Äh – nun ja, es ist doch offensichtlich –« Ames merkte zu spät, dass sie in die Falle getappt war.
Lucy lächelte, doch das war kein echtes Lächeln, sondern das, was Nick immer ihr Säbelzahntigerlächeln nannte. »Haben Sie das alles aufgenommen, Detective Burroughs?«
»Ja, Madam.« Er hielt seinen Rekorder hoch, damit Ames ihn sehen konnte.
»So, Miss Ames, Sie verfügen offenbar über Detailkenntnisse zu diesem Fall, die weit über das Wissen der Öffentlichkeit hinausgehen. Ich denke, das macht Sie interessant für uns. Meinen Sie nicht auch, Detective Burroughs?«
»Soll ich sie zum Verhör aufs Revier bringen lassen?«
»Was? Das können Sie doch nicht machen! Sie haben nicht das Recht –«
»Doch, Madam, das haben wir. Aber dann würden Sie die Pressekonferenz verpassen, die Chief Deputy Dunmar in Kürze abhalten wird. Und dann hätten Sie auch keine Chance, Ihr Gesicht in die 6-Uhr-Nachrichten zu bringen.«
Ames erholte sich schnell. »Na und? Dann lautet die Schlagzeile eben ›Polizeiterror gegen Journalistin‹, und ich bin die Heldin.«
Lucy nickte, als hätte sie das nicht bedacht. »Schon möglich. Nur wären wir dann gezwungen, Ihre Aussagen zu veröffentlichen. Und ich kann mir nicht vorstellen, dass Ihr Sender begeistert sein wird, wenn die Yeagers gegen Sie Zivilklage erheben.«
Die Reporterin schwieg für einen langen Augenblick, bevor ihre Miene einen durchtriebenen Ausdruck annahm. »Sie würden Ihre Zeit nicht damit verschwenden, sich mit mir zu unterhalten, wenn Sie nicht etwas von mir wollten.«
»Stimmt. Wir wollen, dass Sie uns bei unseren Bemühungen, Ashley Yeager zu finden, unterstützen. Im Klartext: keine Behinderung unserer Ermittlungen, keine Versuche, die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf uns zu lenken – oder auf unsere Familien«, fügte Lucy mit einem Blick über die Schulter auf Burroughs hinzu.
»Die Öffentlichkeit hat ein Recht –«
»Auch Ashley Yeager ist Teil dieser Öffentlichkeit, und sie hat ein Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit.«
»Sie ist doch längst tot, das wissen auch Sie.«
Lucy stieß sich vom Wagen ab und trat auf die Reporterin zu. Und obwohl sie kleiner war als Ames, wich diese zurück, bis sie an ihren BMW stieß.
»Ich weiß das nicht, und ich glaube es auch nicht. Aber Sie dürfen mir glauben, Miss Ames, dass ich alles in meiner Macht Stehende dafür tun werde, dass Ashley Yeager wohlbehalten wieder nach Hause kommt. Und sollten Sie mir dabei irgendwie in die Quere kommen, muss ich Sie in Gewahrsam nehmen. Haben wir uns verstanden?«
Ames öffnete den Mund, um zu protestieren, klappte ihn dann aber wieder zu und nickte. Lucy genügte das nicht, daher trat sie noch näher an Ames heran und zwang sie, sich zurückzulehnen. »Ich habe Sie gefragt, ob Sie meine Position in dieser Angelegenheit verstanden
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