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Schlangenblut (German Edition)

Schlangenblut (German Edition)

Titel: Schlangenblut (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C. J. Lyons
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eine Spur. Nick hat gesagt, du wolltest heute Abend ausgehen?« Schweigen. Lucys Verlegenheit wuchs. Sie stellte den Rückspiegel nach. Immer noch Schweigen. »Mom, ich will doch nicht in deinem Privatleben herumschnüffeln.«
    »Dein Vater ist jetzt fünfundzwanzig Jahre tot. Habe ich etwa kein Recht auf Freunde? Auf ein bisschen Glück?«
    Schuldgefühle senkten sich auf Lucys Schultern wie ein abgetragener Schal. Ein mit Liebe und mit von vielen Stichen blutigen Fingern handgehäkelter, abgetragener Schal.
    »Mom, du bist der glücklichste Mensch, den ich kenne. Du bist so glücklich, dass es schon fast nicht mehr auszuhalten ist. Du bist beim Bridge und beim Bingo und in St. Vincent und hilfst im Obdachlosenheim und in der Bibliothek und in deinem Buchclub …«
    »Ich weiß, ich weiß.« Sie seufzte gereizt. »Aber das ist etwas anderes. Jemand ist an mir interessiert. Nur an mir. An mir als Mensch.«
    »Erzähl mir von ihm. Was macht er? Und wie habt ihr euch kennengelernt?« Lucy versuchte, einen beiläufigen Tonfall beizubehalten. War ihre Mutter wirklich so dämlich, übers Internet Kontakt zu einem Mann zu knüpfen? Und das, obwohl sie wusste, welchen Beruf Lucy hatte und hinter welcher Art von Kriminellen sie her war?
    »Er ist einfach süß. Charlie heißt er. Er ist einundsechzig, und seine Frau ist vor drei Jahren an Krebs gestorben.«
    »Sprich ruhig weiter. Hat Charlie auch einen Nachnamen?«
    »Hat er.«
    »Mom.« Lucy war sich sehr wohl bewusst, dass sie in diesem Augenblick klang wie Megan, aber es kümmerte sie nicht.
    »Als ich Charlie erzählt habe, was du beruflich machst, hat er gemeint, du würdest bestimmt gleich Erkundigungen über ihn einziehen. Er hat mir sogar alle Informationen gegeben, die du dafür brauchst. Er meint, heutzutage könnte man gar nicht vorsichtig genug sein.«
    »Na wunderbar. Gib mir die Informationen, und ich erledige das alles für dich.«
    »Nein. Ich vertraue ihm. Das reicht mir.«
    »Aber mir nicht. Komm schon, Mom. Du bist doch nicht so dumm, wie du tust.«
    »Bei deinem Vater habe ich auch keine Überprüfung seines Hintergrunds gebraucht, als ich ihn kennengelernt habe. Da habe ich auf mein eigenes Urteil vertraut und bin einfach meinem Herzen gefolgt.«
    »Dieser« – sie hätte fast »Widerling« gesagt, biss sich aber schnell auf die Zunge – »Mann ist nicht Vater. Außerdem haben die Zeiten sich geändert. Eine Frau in deiner Position darf nicht riskieren –«
    »Eine Frau in meiner Position darf vor allem nicht riskieren, Zeit zu verlieren. Wir sehen uns dann morgen. Bis dann.«
    Das Freizeichen hallte im Fahrzeug wider. Lucy wollte den Ausschaltknopf drücken, schaltete dabei aber versehentlich das Radio ein. Metallica, King Nothing . Perfekt.
    Sie trommelte mit ihrem Ehering aufs Lenkrad, auch wenn sie lieber den Kopf dagegengeschlagen hätte. Wie viele einundsechzigjährige weiße Männer mit Vornamen Charles lebten wohl im Südwesten von Pennsylvania? Und wie standen die Chancen, noch vor dem Abend den richtigen ausfindig zu machen?
    ***
    Jimmy blieb fast das Herz stehen, als er sah, wie Ashley sich ins eigene Fleisch schnitt. Er sprang so erschrocken auf, dass sein Stuhl umfiel, und wollte zu ihr, sie retten.
    Nein. Halte dich an den Plan. Sie muss merken, dass sie machtlos ist, muss aufgeben.
    Er stellte den Stuhl wieder auf und setzte sich wie hypnotisiert erneut an den Computer. Ashley vermischte ihr Blut mit Wasser und rieb es unter das Drahtseil. Er hörte ihr frustriertes Stöhnen, als sie verzweifelt am Metallkabel zerrte und versuchte, es über das Sprunggelenk zu schieben.
    Nach einer guten halben Stunde brach sie schließlich zusammen und umklammerte den Tragebalken wie einen verflossenen Liebhaber.
    Sie weinte nicht, wie sie es zuvor getan hatte. Stattdessen sprach sie eine in der Dunkelheit unsichtbare Person an.
    »Bitte. Bitte, hilf mir.«
    Sie rief nach ihm. Jimmy strich mit den Fingern über das Bild ihres Gesichts, während sie ihn anflehte.
    »Ja, Ashley, ich werde dich erlösen.«
    Schritt drei, beinahe abgeschlossen. Als Nächstes kam Schritt vier: Eröffne ihr eine neue Wirklichkeit.

KAPITEL 15
Samstag, 18.03 Uhr
     
    Burroughs führte Lucy zu einer Adresse abseits der Fifth Avenue in Point Breeze. Das Pittsburgh Center for the Arts, nur einen Block entfernt inmitten einer üppig grünen Rasenfläche gelegen, verlieh dem Arbeiterviertel einen Hauch von Klasse. Sie hielt hinter dem Impala des Detective und wartete auf dem

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