Schlangenblut (German Edition)
Kopfkissen hatten sie dagelassen. Melissa legte sich auf das kahle Bett. Die Klimaanlage lief und ließ sie mit ihrem kühlen Atem frösteln. Sie rollte sich in Embryonalstellung zusammen.
Da sie sonst niemanden hatte, den sie hätte umarmen können, schlang sie die Arme um sich selbst und vergrub sich in den Kissen.
Das leise Klingeln eines Telefons beendete ihren Versuch, die Realität hinter sich zu lassen.
Das alles war nur ein Traum, war ihr erster Gedanke, als ihre Hand in die Luft schoss, um nach dem Telefon zu tasten.
Es war nicht da. Sie wälzte sich herum, nun mit offenen Augen, und merkte, wo sie war. In Ashleys Zimmer. Auf Ashleys Bett. Allein.
Es war doch kein Traum.
Das Telefon klingelte erneut, als sie mit heftig pochendem Herzen aus dem Bett sprang. Wie oft hatte es schon geläutet? Ihre nackten Füße trommelten in einem verzweifelten Rhythmus gegen den Hartholzboden, als sie durch den Flur zu ihrem Zimmer rannte.
»Nicht auflegen«, rief sie, obwohl sie ganz genau wusste, dass die Leute des Sheriffs das ohnehin nicht tun würden. Sie griff über ihr Bett nach dem Hörer. »Hallo?«
Zunächst blieb alles still. Melissa atmete schwer, und ihr Herz schlug so heftig, dass sie nicht schlucken konnte.
»Hallo? Ashley? Bist du das?« Ihre Stimme war wie Schmirgelpapier von den vielen unvergossenen Tränen. »Sprich doch mit mir. Ashley, wo bist du?«
Immer noch Schweigen. Melissas Hand klammerte sich so fest um das Telefon, dass ihre Finger taub wurden, ebenso wie ihre Lippen und Zehen. In diesen wenigen Sekunden war ihr, als verwandele sich ihr ganzer Körper in einen einzigen undurchdringlichen Eisblock.
»Wir kennen Ihr Geheimnis«, drang eine höhnische, eintönige Stimme, die nicht Ashley gehörte, durch den Hörer.
Sie beugte sich vor, die Ellbogen zwischen den Knien, und kämpfte gegen ihre Übelkeit an. »Wo ist meine Tochter?« Sie spürte die Tränen auf der gefrorenen Tundra ihres Gesichts nicht, sah sie aber, als sie auf ihren Morgenmantel tropften und kleine, unregelmäßige dunkle Flecken auf dem silbrig glänzenden Stoff hinterließen. »Bitte lassen Sie mich mit ihr sprechen, ich flehe Sie an. Bitte.«
Doch als Antwort kam nur Gelächter.
***
»Allegheny County gibt einen Anruf weiter. Er kommt vom Handy des Mädchens.« Burroughs steckte seinen Kopf in Lucys Büro, während diese gerade mit Ashleys Englischlehrerin sprach.
»Ich muss Sie zurückrufen, Mrs Forrester.« Lucy legte auf und hastete hinaus, wo alle sich um Taylors Schreibtisch versammelt hatten.
»Wo ist meine Tochter?«, kam Melissas schrille Stimme aus den Lautsprechern.
»Wir kennen Ihr Geheimnis«, flüsterte ein Mann und lachte, bevor ein Klicken verriet, dass er aufgelegt hatte.
»Zu kurz, um es zurückzuverfolgen, aber wenn sie das Telefon nicht abschalten, können wir es über GPS orten«, verkündete Taylor und berührte sein Bluetooth-Headset. »Angekommen, danke.« Seine Finger trommelten kurz auf der Tastatur, bevor er sich an sein Team wandte. »Okay, Jungs, wir haben die Datei. Ich will die Analyse der Stimme und der Hintergrundgeräusche, genau wie gestern.«
Die Computerspezialisten teilten sich in kleine Gruppen auf und unterhielten sich dabei angeregt miteinander. Die Chance, möglicherweise in einem echten Entführungsfall mitzumischen, war weitaus spannender, als es immer nur mit Internet-Pornographie zu tun zu haben.
»Spulen Sie es für mich noch mal zurück«, bat Lucy Taylor. »Burroughs, Sie rufen Verizon an und legen nicht auf, bevor sie die Koordinaten für uns haben. Walden, kümmern Sie sich um die Mutter und sagen Sie ihr, dass wir daran arbeiten und sie informieren, sobald wir mehr wissen – Sie wissen schon.«
Bevor sie mehr sagen konnte, erfüllte Melissas Stimme erneut die Luft, dünn und spröde. Auf einem Monitor erschienen zerklüftete Wellen, während sie sprach. Das gesamte Gespräch dauerte lediglich achtunddreißig Sekunden.
»Klingt nach einem Mann«, meinte Taylor.
»Spielen Sie noch mal das Lachen ab«, forderte sie ihn auf, anschließend lauschten beide den letzten Sekunden des Anrufs. »Das war mehr als eine Person. Mindestens zwei, und eine klingt wie eine Frau.«
»Sie hat recht, Taylor«, rief einer von einem nahen Schreibtisch, einen Kopfhörer am einen Ohr. »Zwei Personen: ein Mann und eine Frau. Die Stressanalyse deutet darauf hin, dass Alkohol im Spiel sein könnte.«
Taylor grinste zu Lucy hoch. »Wäre das nicht großartig? Sie besäuft sich mit
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