Schlangenblut (German Edition)
wissen, wo er stand und wie er selbst über die Sache dachte. Er sollte ihr lieber das verraten, als sie an die übliche Vorgehensweise zu erinnern.
»Wenn es Ihr Fall wäre, Ihre Verantwortung – was würden Sie dann tun?«, fragte sie mit neutraler Miene und blickte ihm dabei fest in die Augen.
Es folgte eine lange Pause. Länger, als einer von ihnen gebraucht hätte, um die entsprechenden Absätze im FBI -Handbuch zu zitieren.
Am Ende kam Walden einem aufrichtigen Lächeln näher als je zuvor. Seine Lippen teilten sich so weit, dass sie seine obere Zahnreihe sehen konnte, und bogen sich nach oben – für eine, vielleicht auch zwei Sekunden.
»Ich würde knallhart reingehen und dabei auf alles gefasst sein. Ich würde nicht warten.«
Sie nahm das Magazin aus ihrer Pistole, überprüfte es und schob es wieder hinein. »Ich sehe es genauso. Haben Sie Probleme damit, unseren Junior mitzunehmen?«
Er schüttelte andeutungsweise den Kopf. »Nein, ich hab nichts gegen ihn. Er quasselt nur ein bisschen viel für meinen Geschmack. Aber wollen Sie nicht lieber selbst ein Auge auf ihn haben? Das ist sein erster richtiger Einsatz.«
Daran hatte sie auch schon gedacht. Taylor war überdrehter als ein Junkie auf Methadon, aber so war er eben. »Der schafft das schon.«
Walden nickte und ging auf die Tür zu, drehte sich dann aber noch einmal um. »Sind Sie sicher? Damit würden Sie Burroughs die Chance geben, den Anblick eines Prachtexemplars von einem schwarzen Männerhintern zu genießen.«
Ihr Kopf ging ruckartig nach oben. »Was wollen Sie damit sagen, Special Agent Walden?«
Die Restbestände seines Lächelns lösten sich schlagartig in Luft auf. Sie kam um den Schreibtisch und stellte sich neben ihn. »Sie glauben doch wohl nicht, dass Ihr Hintern besser aussieht als meiner?«
Ein herzhaftes Lachen entschlüpfte ihm, als sie den Kopf verdrehte, um ihre Rückansichten zu vergleichen.
»Aber nein, Madam. Auf gar keinen Fall.«
»Dann sind wir uns ja einig.« Sie lehnte sich gegen den Konferenztisch und schaute durch die Glaswand zu Burroughs hinüber, der gerade auf Waldens Stuhl telefonierte, als gehörte ihm das Büro. »Danke für das Angebot, aber eigentlich möchte ich diesen Punkt gar nicht ansprechen. Zumindest im Augenblick nicht.«
Er imitierte ihre Körperhaltung, blickte ebenfalls zu Burroughs hinüber und setzte wieder seine ausdruckslose Maske auf. »Darf ich fragen, warum?«
»Erstens, weil nichts, was ich sagen oder tun könnte, Leute wie Burroughs ändern würde. Das ist genetisch bedingt. Und zweitens ist es nicht meine Aufgabe, ihn zu ändern. Meine Aufgabe besteht darin, Ashley zu finden. Soll Burroughs doch hinschauen, wo er will, ist mir doch egal – solange ich bekomme, was ich will.«
Das halb versteckte Lächeln kehrte zurück. »Sie benutzen ihn.«
»Schon möglich. Aber Sie haben ja gehört, was Burroughs gesagt hat. Das ist sein Zuständigkeitsbereich. Und wenn ich dicht bei ihm bleibe, kann ich vielleicht verhindern, dass die Dinge eskalieren, falls er den großen Macker spielen will. Und« – sie steckte ihre Pistole ins Holster – »wenn es richtig rundgeht, kann ich ihn dazu benutzen, die Jungs von der Spezialeinheit zu dirigieren. Die würden doch nie eine Anweisung befolgen, die direkt von einem FBI -Agenten kommt.«
»Ihre Art, zu denken, gefällt mir, Boss.« Das Beinahe-Lächeln wurde zu einem echten, aufrichtigen Lächeln. Walden salutierte scherzhaft und ging hinaus, um seine eigene Ausrüstung zu holen.
Lächelnd griff Lucy nach ihrer Windjacke. Das war das Netteste, was jemand an diesem Tag zu ihr gesagt hatte.
Noch netter war die Aussicht, dass sie sich in dieser Angelegenheit vielleicht irrte und Ashley womöglich einfach nur davongelaufen war, um Mama-Bär und Papa-Bär zu ärgern, und nun in Garfield springlebendig auf sie wartete.
Ihr Bauch sagte ihr, dass dem nicht so war, aber ein bisschen Hoffnung hatte noch keinem geschadet.
KAPITEL 18
Samstag, 23.32 Uhr
Guardino fuhr. Und sie war eine gute Fahrerin. Burroughs gefiel die Art, wie sie den großen SUV durch den gnadenlosen Samstagabendverkehr von Southside steuerte. Niemals ungeduldig und mit voller Konzentration hielt sie immer wieder erfolgreich nach Lücken im zähen Verkehrsfluss Ausschau. Nur einmal musste sie die hinter dem Kühlergrill befindlichen roten und blauen Blinklichter einsetzen, doch kaum hatte der Stau sich aufgelöst, schaltete sie sie wieder aus.
Sie erledigte einfach
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