Schlangenblut (German Edition)
nicht.
»Ich weiß es sehr zu schätzen, dass Sie helfen wollten«, sagte sie zu Fletcher und führte ihn weg von dem Nest aus Drähten und elektronischen Geräten auf Taylors Schreibtisch.
Schmallippig und stirnrunzelnd warf er einen Blick zurück über die Schulter.
»Ich habe alles für morgen vorbereitet, und da meinten die anderen, Sie bräuchten Hilfe im Fall Ashley Yeager.« Seine Stimme klang gepresst, und sie fragte sich, was sie vor ihrem Eingreifen verpasst hatte.
Lucy nickte Burroughs zu. »Bin gleich wieder da.«
Sie führte Fletcher zu seiner Workstation. Sie und ihr Team hatten bei Operation Honeypot das Sagen, aber da man bei den Verhandlungen mit den kanadischen Behörden nach den Verhaftungen ohnehin auf die Leute von der Einwanderung angewiesen sein würde, hatte deren verantwortlicher Special Agent verlangt, dass seine Leute die ganze Zeit über im Bilde bleiben sollten.
Bislang hatte sich Fletcher trotz eines gewissen Übereifers als Aktivposten erwiesen. Wie ein Möchtegern-Agent stand er bei ihren Einsatzbesprechungen jederzeit bereit, um jede noch so kleine Aufgabe zu übernehmen. Genau wie Taylor, bevor dieser in die Polizeiakademie gegangen war.
»Es war nett von Ihnen, Ihr Wochenende zu opfern. Vor allem nach dem harten Einsatz heute Morgen.«
Er zuckte mit dem Achseln und senkte selbstkritisch den Kopf. »Das Mädchen hat mir leidgetan. Ich wollte nur helfen. Aber mir war nicht klar, dass ihr hier andere Vorgehensweisen habt als wir.«
»Ist doch kein Problem. Hören Sie, wir müssen morgen mit Operation Honeypot recht früh anfangen. Sollten Sie nicht besser nach Hause gehen zu Ihrer Familie?«
»Erst möchte ich noch unsere Ausrüstung vorbereiten. Meine Familie weiß, wie wichtig meine Arbeit ist. Manchmal muss man dafür eben Opfer bringen.«
Lucy unterdrückte einen Seufzer, als sie plötzlich an Megan denken musste und ihr vom Fieber gerötetes Gesicht vor Augen sah. »Ja, leider. Dann also bis morgen.«
Taylor trat von hinten an sie heran. »Hey, Lieutenant. Fletcher hat gemeint, Sie hätten die hier bei Ihrem Einsatz heute Morgen vergessen.«
Als sie sich umdrehte, ließ er ein Feuerwerk von Gummischlangen aus einer unter Druck stehenden Dose los. Sie schrie auf und schlug die Dinger weg. Zu spät erst merkte sie, dass sich alle anderen Mitglieder ihrer Truppe um sie versammelt hatten.
Alle lachten, außer Burroughs, der die Anspielung nicht verstand. Auch Lucy lachte mit. »Also gut, Jungs, das war echt gelungen.«
Walden kam gerade noch rechtzeitig herein, um das allgemeine Gelächter mitzubekommen. »Kann ich ein Autogramm haben?«
Er reichte ihr ein Foto von Indiana Jones mit einer Fackel in der Schlangengrube – nur dass Harrison Fords Gesicht unter seinem Filzhut durch das von Lucy ersetzt worden war.
»Das werdet ihr wohl nie vergessen, was?«, sagte Lucy und heftete das Bild mit Reißnägeln an das nächste Korkbrett. Sie freute sich, dass Walden einen Sinn für Humor hatte. Sie hatte schon bezweifelt, ob sie ihn je anders sehen würde als mit ausdrucksloser, mürrischer Miene.
»Wenn ich das richtig verstehe, hatten Sie einen Zusammenstoß mit einer Schlange?«, fragte Burroughs, als sie ihn, Taylor und Walden in ihr Büro geleitete.
»Sie hätten mich heute früh mitnehmen sollen«, meinte Taylor und ließ sich auf einen der Stühle am Konferenztisch sinken. »Ich habe keine Angst vor Schlangen.«
»Ich eigentlich auch nicht – jedenfalls nicht bis heute früh.«
Als Walden eine Zeitlinie auf die weiße Tafel zeichnete und begann, alle Punkte einzutragen, die Ashleys jüngstes Verhalten dokumentierten, erzählte Taylor Burroughs vergnügt von dem Einsatz in der Kirche der Snakehandler. Seine Version klang wesentlich aufregender, als es tatsächlich gewesen war – und wesentlich weniger chaotisch. Burroughs setzte sich rittlings auf einen Stuhl hinter dem Konferenztisch, drehte sich um und grinste Lucy an.
»Mein Gott, was für ein glamouröses Leben ihr FBI -Leute doch führt. Aber sind die Zwillinge überhaupt missbraucht worden? Oder wollten diese Widerlinge wirklich nur ihre Seelen retten?«
Walden hielt beim Schreiben inne. »Die Staatspolizei ist sich noch nicht sicher. Beim ersten Gespräch in der Gerichtsmedizin war nicht viel mehr aus ihnen herauszubekommen, als dass sie ihre Eltern vermissen.«
»Wir sind nicht mehr für den Fall zuständig«, ergänzte Lucy, um das Gespräch wieder auf Ashley zu lenken. Sie blieb hinter ihnen stehen
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