Schlangenblut (German Edition)
Dachte er wirklich, sie würde glauben, dass er sich nur wegen ihrer weiblichen Rundungen ständig in ihrer Nähe aufhielt? Sie war vielleicht neu in Pittsburgh, aber nicht von gestern.
Er grinste verlegen. »Tut mir leid. Es ist Wahljahr.«
»Im Augenblick interessiere ich mich weniger für Politik als für Fakten. Und davon haben wir verdammt wenig. Was uns wieder zu ihrem Computer führt.«
Alle Köpfe drehten sich zu Taylor. Er hob die Hände, die Handflächen nach oben, die Finger gespreizt. »Glauben Sie mir bitte, so etwas braucht Zeit.«
»Erzählen Sie einfach, was Sie bis jetzt herausgefunden haben.« Bevor er den Mund öffnen konnte, fügte sie noch hinzu: »Und zwar so, dass wir alle es verstehen.«
Das Leuchten in Taylors Augen ließ nach. Er machte den Mund auf, schloss ihn dann aber gleich wieder. »Nichts.«
»Nichts?« Lucy setzte sich auf den Tisch und beugte sich vor. »Sie und Ihre Genies waren doch den ganzen Tag an der Sache dran.«
»Wir haben eine ganze Menge Möglichkeiten. Wir analysieren jedes Fragment, das wir isolieren können. Ich habe ein Team, das versucht, das Scrubber-Programm zu seiner Quelle zurückzuverfolgen, und ein anderes, das ihre E-Mail- und Online-Aktivitäten verfolgt. Aber etwas Konkretes haben wir noch nicht gefunden, keine heiße Spur.« Er ließ den Kopf hängen. »Tut mir leid, wir brauchen einfach mehr Zeit.«
Lucy richtete sich auf, schlug die Arme um ihre Brust und verzichtete darauf, Taylor zu erklären, was ihnen allen klar war: Ashley Yeager hatte keine Zeit mehr.
***
Ashley regte sich nicht. Jimmy hätte geglaubt, sie schlief, wären nicht ihre Augen offen gewesen. Sie starrten ins Nichts, starrten geradewegs in sein Herz.
Hinter seinen Augen baute sich Druck auf. Er strich sich mit einem Finger über eine Braue, als er zu schwitzen begann. War die Zeit reif?
Er kauerte sich direkt vor den Monitor, als könnte er, indem er sich dem Bildschirm näherte, auch Ashley näher kommen. Er hatte nur eine Chance, die Sache richtig zu machen. Er blickte zu dem großen Aquarium hinüber, das auf dem Boden neben dem Monitor stand.
Dutzende von Schlangen wanden sich darin und glitten übereinander, eingepfercht auf viel zu engem Raum. Einige hoben den Kopf und starrten ihn aus ihren kalten Reptilienaugen an. Jimmy mochte Schlangen nicht. Er hatte seinen ganzen Mut und seine ganze Willenskraft zusammennehmen müssen, um sie zu beschaffen.
Ashley hatte noch mehr Angst vor ihnen als er. Sie hatte ihm von den Grausamkeiten ihres Vaters erzählt: Er hatte sie, als sie noch klein war, gezwungen, vor den Zoobesuchern Anacondas und andere Schlangen in die Hand zu nehmen. Er hatte sie für ihre Ängste gescholten und versucht, sie ihr zu nehmen, indem er sie zwang, die Schlangen weiter zu berühren, bis sie bei einer dieser Vorführungen zusammengebrochen war und in die Hose gemacht hatte.
Jimmy wünschte, es gäbe eine andere Möglichkeit. Er klopfte an die Wand des Aquariums, und das Knäuel von Schlangen wand sich wie ein einzelnes Wesen. Keine von ihnen war giftig, natürlich nicht. Aber ihre Wirkung auf Ashley würde verheerend sein.
Doch genau das war der Punkt. Sie würde ihr altes Leben vollständig hinter sich lassen müssen, um mit ihm ein neues anzufangen.
Er hatte nur eine Chance. War sie bereit?
Sein Piano-Man -Klingelton riss ihn aus seinen Gedanken. Er überprüfte die Nummer. Alicia.
Ashley und Schritt vier mussten noch warten.
Die Familie ging vor.
KAPITEL 17
Samstag, 22.41 Uhr
Melissas Schritte hallten im leeren Haus wider. Sie war erschöpft, konnte aber trotzdem nicht lange genug still sitzen, um einzuschlafen. Ihre Schwester war aus Philadelphia eingetroffen und hatte ihnen sowie den Polizisten etwas gekocht, um sich dann mit Melissa zu streiten, weil die nichts essen wollte, und sich schließlich ins Gästezimmer zurückzuziehen, als Melissa rastlos durchs Haus lief und krampfhaft versuchte, nicht nachzudenken. Am Ende fand sich Melissa in Ashleys Zimmer wieder.
Endlich allein. Die Einsamkeit tat ihr gut nach einem Tag, an dem Fremde jede ihrer Bewegungen verfolgt hatten, sie vor Kameras und Reportern eine Rolle hatte spielen müssen und ihre Gefühle sie immer wieder überwältigt hatten, bis ihr nichts mehr geblieben war.
Sie machte kein Licht an. Das Bett stand gespenstisch weiß mitten im Raum. Nicht bezogen. Die Polizei hatte Laken und Bettdecke mitgenommen. Über das Warum wollte Melissa lieber nicht nachdenken.
Ashleys
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