Schlangenblut (German Edition)
was ihr fehlt? Warum sie krank ist?«
»Nein, leider lässt sich das noch nicht so eindeutig sagen. Bei der CT war eine Vergrößerung von Milz und Leber erkennbar, aber keine weiteren Abnormitäten, von mehreren axillaren Lymphknoten einmal abgesehen.«
Axillar – in den Achseln also. Begann dort nicht die Hodgkin’sche Krankheit? Lucy schlang sich ihren freien Arm um die Brust. »Heißt das, sie hat Krebs?«
»Nein, nein. Das heißt lediglich, dass sie ein paar beunruhigende Symptome aufweist, deren Ursache wir noch nicht kennen. Es könnte sowohl eine einfache Viruskrankheit oder Infektion sein –«
»Als auch Krebs.«
Er zögerte, offenbar wenig begeistert von ihrer Direktheit. »Ja, theoretisch schon.«
»Und wie wollen Sie weiter vorgehen?«
»Ich möchte einige der Blutuntersuchungen von heute Morgen noch einmal wiederholen, und dann müssten auch bald die Ergebnisse unserer Untersuchungen auf Infektionskrankheiten vorliegen. Falls nichts dabei herauskommt oder Grund zur Sorge besteht, müssen wir überlegen, ob eine Lymphknotenbiopsie angebracht sein könnte.«
Lucy stieß so heftig die Luft aus, dass ihr fast schwindlig wurde, und lehnte sich schlaff an den Schreibtisch. »Immer mehr Untersuchungen, aber keine Ergebnisse.«
»Tut mir leid, aber mehr können wir im Augenblick nicht tun.«
»Und wenn es« – sie schluckte schwer – »Krebs sein sollte, können Sie ihn dann behandeln? Wäre er dann früh genug entdeckt worden?«
»Meiner Einschätzung nach wäre die Prognose für Megan definitiv günstig. Aber mit absoluter Sicherheit kann ich gar nichts sagen, nicht solange wir nicht genau wissen, womit wir es zu tun haben.«
Lucy schwieg und versuchte erst einmal, die Informationen zu verarbeiten.
»Ich komme zu Ihnen hoch, sobald ich hier in der Intensivstation entbehrlich bin, und spreche alles mit Ihrem Mann und Megan durch. Bis dahin kann ich Sie nur bitten, sich keine unnötigen Sorgen zu machen. Alles in allem ist allein schon die Tatsache, dass wir noch auf nichts Ernsthaftes gestoßen sind, ein sehr gutes Zeichen.«
Ein sehr gutes Zeichen. Aber keine Garantie. »Danke, Dr. Scott.«
Als sie wieder ins Zimmer kam, stellte sie verblüfft fest, dass Nick und Megan in ein Videospiel vertieft waren. Bei ihnen zu Hause saßen sie nicht viel vor dem Fernseher, lieber blieben sie in Bewegung, lasen, kochten miteinander, arbeiteten im Garten oder redeten. Was natürlich hoffnungslos altmodisch war und vollkommen an der modernen Lebenswirklichkeit vorbeiging, wie Megan ihnen immer wieder klarzumachen versuchte. Ganz so, als wäre ein persönliches Gespräch mit ihren liebenden Eltern für sie eine Strafe, eine unvorstellbare seelische Grausamkeit.
Und da war sie nun und brachte ihrem Vater begeistert bei, wie man Aliens auslöschte und sich mit strategischem Denken seinen Weg durch ein Labyrinth bahnte. Nick lag ausgestreckt auf dem Bett neben ihr und biss sich in äußerster Konzentration auf die Unterlippe.
Lucy stand neben dem Bett und sah zu, einen Arm um Megan geschlungen. Nach einiger Zeit bat sie Megan, eine Pause einzulegen, damit sie die beiden über das informieren konnte, was Dr. Scott gesagt hatte.
Megan verzog den Mund, als sie die Neuigkeiten einsickern ließ. »Keine Nadeln bis morgen?«
»Wenn sich nichts ändert.«
»Kannst du bei der Untersuchung dabei sein?«
»Da müssen wir erst mal Dr. Scott fragen, aber ich tue, was ich kann.«
»Darf ich ein Kätzchen haben, wenn wir nach Hause kommen? Ich habe gelesen, Haustiere stärken das Immunsystem, dann wird man nicht mehr so leicht krank.«
Nick schaute weg, eine Hand vor dem Mund, um sein Grinsen zu verbergen. Es war typisch für Megan, ein Problem von allen Seiten zu betrachten, um dann für sich das Beste herauszuholen. Lucy verwuschelte mit einem missbilligenden Blick ihre Haare.
»Haustiere kommen nicht in Frage«, gab sie ihrer Tochter dieselbe Antwort wie seit Monaten, »bevor wir uns hier richtig eingelebt haben und du uns bewiesen hast, dass du bereit bist, selber für das Tier die Verantwortung zu übernehmen.«
»Aber Mom …«
Lucys Herz zog sich zusammen, so schwer fiel es ihr, nein zu sagen, wenn Megan ihre großen dunklen Augen auf sie richtete. Zumal sie so tapfer gewesen war und es ihr so schlechtging. Megan hatte noch nie Schlimmeres als eine Magen-Darm-Grippe gehabt.
»Mal sehen.«
»Also gut!« Megan hüpfte triumphierend auf dem Bett herum und schnappte sich ihre Fernbedienung. »Komm
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