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Schlangenkopf

Schlangenkopf

Titel: Schlangenkopf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Ritzel
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Handbewegung auf Uwe. »Und mitgekommen bin ich, um sicherzugehen, dass er auch wirklich eine Aussage machen kann. Und um zu bestätigen, dass er erst heute von mir erfahren hat, warum der Fahrer eines schwarzen Landrovers gesucht wird. Genauer: die Fahrerin.«
    »Die Fahrerin, so«, sagt Regulski, und Barbara sieht, wie an seinen Schläfen dicke Adern heraustreten. »Sie sind sehr bemüht, meine Dame, der Polizei auf die Sprünge zu helfen. Aber sagen Sie doch – was ist eigentlich Ihr Interesse an dieser Sache? Sie wohnen …« Er blickt auf seine Notizen – »Moment! Diese Adresse kenne ich doch, von dort war schon einmal einer hier.«
    »Ich glaub es nicht«, lässt sich in diesem Augenblick Uwe vernehmen.
    »Was glauben Sie nicht?« Regulskis Stimme gewinnt an Schärfe.
    »Im Schlaf wär ich nicht auf die Idee gekommen, jemals freiwillig bei euch aufzukreuzen. Aber was hier abgeht, das ist …« Uwe schüttelt den Kopf. »Das ist das reine Absurdistan. Soll ich jetzt den Zeugen machen oder nicht oder wie?«
    »Verstehe ich das recht, dass Sie mir absurdes Verhalten vorwerfen?« Regulski richtet seinen Zeigefinger auf Uwe. »Ich warne Sie!«
    »Wäre es Ihnen lieber«, fragt Barbara diesmal ganz sanft, »wenn wir wieder gehen, und er macht seine Aussage bei einem Notar, in Form einer eidesstattlichen Erklärung? Wir reichen die Kostennote dann beim Senat ein.«
    »Es ist gut, meine Dame«, fällt ihr Regulski ins Wort. »Es ist Samstagmorgen, ich hätte eigentlich frei, ich würde eigentlich ganz gerne heute mal das Rad nehmen, ein bisschen hinaus fahren, Richtung Rheinsberg vielleicht, aber das geht nicht, ich schiebe hier Dienst, obwohl ich jetzt dreihundertsiebzig angesammelte Überstunden habe, aber bitte! Machen Sie sich ruhig lustig über mich …« Es klopft, Regulski bricht ab, nach einem barschen »Ja?« öffnet sich die Tür, und die Polizistin von vorhin huscht herein und bringt ein Fernschreiben. Regulski hebt kurz und entschuldigend die Hand und liest. Barbara beobachtet, wie erneut die dicken Adern an seinen Schläfen hervorquellen.
    E in großer Mann, weißhaarig, aber nicht alt, so hatte es der Bilch gesagt, nicht viel älter als der Bilch selbst. Das ist doch wieder blöd, denkt André. Wofür hält sich der Bilch? Dass er vielleicht nicht alt ist?
    Die Rolltreppe ist leer, und mit ein paar Sätzen ist er unten und geht rüber, zur anderen Treppe, die zur S-Bahn hinaufführt, irgendwie ist ihm danach, die abwärts fahrende Treppe hinaufzulaufen, aber leider sind zu viele Passanten unterwegs. Er fährt hoch und läuft zum anderen Ende des Bahnsteigs, bis ganz ans Ende, wo das Bahnsteigdach schon aufgehört hat und man über die Stadt sehen und das Gesicht in die Sonne halten kann. Aber das soll er ja nicht tun. Er soll im Schatten bleiben, jedenfalls so, dass er niemandem auffällt, und die Augen offen halten, bis er den großen Mann mit den weißen Haaren sieht, drüben auf dem Bahnsteig für die Fernzüge, und er soll ihn sich genau anschauen, so genau, dass er auch im Gedränge weiß, wie dieser Mann aussieht und dass er der Richtige ist.
    Aber als er am Ende des Bahnsteigs angelangt ist, steht drüben auf dem anderen Bahnsteig kein Mensch. Niemand. Natürlich nicht. Er ist viel zu schnell gewesen. Eine Viertelstunde soll er warten, und wenn bis dahin niemand gekommen ist, geht’s mit der nächsten S-Bahn zurück. Dann hat der feine Herr nämlich versucht, zu tricksen. Hat versucht, uns hinzuhalten. Das wird er dann teuer bezahlen! So hat es der Bilch gesagt.
    Drüben rauscht schon wieder ein ICE herein, und André versucht, die Anzeigetafel zu entziffern, dazu muss er die Augen zusammenkneifen, denn die Tafel ist ziemlich weit weg. Wenn er es richtig liest, ist das gerade der ICE nach Düsseldorf, das gibt ihm einen Stich, denn in Düsseldorf hat die Elke mal fast einen Job sicher gehabt, aber dann haben sie ihr doch noch abgeschrieben, und sie war ein paar Tage lang ganz tief unten.
    Er schüttelt den Kopf. An solche Sachen mag er jetzt nicht denken. Drüben auf dem anderen Bahnsteig steht ein Mann in der Sonne, er trägt einen offenen hellen Mantel und hat langes weißes Haar, das so aussieht, als ob es gerade frisch gewaschen und geföhnt worden ist. In der einen Hand hält er eine schwarze Mappe.
    André schaut auf die Uhr. Nein, er hat nicht zu lange gewartet.
    B erndorf hat sich entschieden, dem Jungen zu folgen, und ist – treppab, treppauf – wieder auf dem S-Bahnsteig angelangt.

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