Schlangenküsse
Carol Morgan nicht. Ich habe dann die CD mit den Telefonnummern und Namen eingelegt, und jetzt könnt ihr mal raten, wie viele Carol Morgans es hier in London gibt.«
»Lieber nicht«, sagte ich.
»Es kostet zumindest Mühe, die richtige Carol Morgan herauszufinden.«
»Dann bleibt uns der Zoo«, sagte Suko, »der wegen der MKS-Seuche geschlossen ist.«
»Ist doch für euch kein Problem.«
Ich grinste nur. Natürlich war auch ich einverstanden, dass wir dem Zoo einen Besuch abstatteten, aber noch nicht jetzt. Es blieb Zeit bis zum Einbruch der Dämmerung. Die mussten wir nutzen. Und ich wollte an Mason Carter heran.
Da er mal so etwas wie ein Kollege von uns gewesen war, gab es keine Schwierigkeiten, seine Anschrift herauszufinden. Vorausgesetzt, er lebte noch in der Wohnung.
Sicherheitshalber fragte ich noch bei Kollegen nach. Zwei erinnerten sich an den Mann, der in seinem Job nie so recht zufrieden gewesen war und deshalb gekündigt hatte, um endlich mehr Geld zu verdienen. Die Anschrift bekam ich auch und legte mit einem zufriedenen Lächeln den Telefonhörer auf.
»Dann lass uns mal fahren«, sagte ich.
»Und was ist mit dem Zoo?«, fragte Glenda.
»Später.«
»Ich kann mich ja noch mal um diese Carol Morgan kümmern. Vielleicht bekomme ich mehr heraus.«
»Ja, tue das.« Ich stand auf. Suko folgte meinem Beispiel. Wir verließen das Büro nicht eben in der Pose von Siegern. Ich war überzeugt, dass uns da noch einiges bevorstand...
***
Vor die Fenster waren die Rollos halb heruntergezogen worden. So drang nur wenig Licht in den relativ großen Raum mit dem Teppichboden. Der Schreibtisch, der PC, die Regale, sie alle wurden von den Schatten überdeckt. Wie auch die blonde Frau, die sich im Zimmer befand.
Sie saß in einem Sessel und hatte die Beine nicht nur nach vom gestreckt, sondern auch ausgebreitet. Ihre Hände glitten über beide Oberschenkel hinweg, und aus ihrem Mund drangen kurze, abgehackt klingende Atemstöße.
Sie war erregt. Gerade hier. In diesem Zimmer hatte sich ihr Feind aufgehalten. Aber sie alle hatten bewiesen, wie schwer es für einen Menschen war, ihnen auf den Fersen zu bleiben. Lange Zeit hatten sie sich verstecken können, doch dann war ausgerechnet Carol Morgan in Verdacht geraten.
Es war ihr Fehler gewesen, sich das Zeug heimlich besorgen zu wollen. Aber sie war davon abhängig. Sie brauchte die Tabletten einfach, um weiterzumachen.
Dass man ihr einen Detektiv auf die Spur gesetzt hatte, damit hatte sie nicht rechnen können. Es war im letzten Augenblick noch alles glatt gegangen, und sie wusste, dass der Mann nicht mehr entkommen konnte. Er war vollgespritzt worden. Er würde seine Verwandlung erleben, und man würde ihn auch irgendwann entdecken, ohne jedoch zu wissen, was diese ungewöhnliche Schlange einmal gewesen war.
Sie hatte nur noch in die Wohnung dieses Detektivs gehen müssen. Das war kein Problem gewesen, denn nach den Küssen hatte man ihm alles abgenommen.
Carol Morgan hatte die Fenster bewusst abgedunkelt. Niemand sollte sie von außen her sehen können, auch wenn Büro und Wohnung in der dritten Etage lagen.
Carol hatte die Durchsuchung durchgeführt. Büro und Arbeitsraum waren nicht sehr groß. Ein Bad und ein anderer Raum dienten noch als privater Bereich. Dort hatte sie nichts gefunden, was auf sie und ihre Gruppe hinwies .
Auch im Arbeitszimmer gab es keine Unterlagen. Allerdings wusste sie nicht, ob Mason Carter sie auf einer Diskette gespeichert hatte. Es standen einige zur Verfügung. Sie wusste auch nicht, ob sie durch ein Passwort gesichert waren. Deshalb ging sie kein Risiko ein und würde sie alle mitnehmen. Ob sich jemand um die Daten auf der Festplatte kümmerte, sollte ihr Problem nicht mehr sein. Bis das soweit war, hatten sie und ihre Freunde das Ziel längst erreicht. Dann würde das andere, das neue Leben beginnen, das sie und ihre Freundinnen voller Lust erwarteten.
Wenn die Mehrzahl der Menschen wüsste, was es alles gab, hätten viele vielleicht den Verstand verloren. Wer dachte schon an andere Welten? Einige schon, aber niemand kam auf den Gedanken, dass ein Paradies der Druiden namens Aibon existierte.
Carol wusste mehr. Sie hatte es gesehen. Sie würde bald als Bewohnerin dort leben, und da hatte ihr auch dieser Detektiv keinen Strich durch die Rechnung machen können.
Die Disketten hatte sie eingesteckt. Sie waren in der Innentasche ihrer Jacke verschwunden. Eigentlich hätte sie die Wohnung schon längst verlassen
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