Schlankheitswahn (Ein Fall für Lizzy Gardner) (German Edition)
gesagt hat? Sie hat dich höflich darum gebeten, hierzubleiben. Wenn du Ärger machst, wird Lizzy früher oder später verklagt. Sie könnte alles verlieren.«
Hayley ließ ihren Blick durch das Büro schweifen, sah aber nur einen abgewetzten Teppich und zwei jämmerliche Schreibtische.
»Du weißt, was ich meine. Lizzy hat hart an sich gearbeitet. Sie hat letztes Jahr viel durchmachen müssen. Wenn sie ihre Arbeit und dieses Büro nicht hätte, wäre sie aufgeschmissen.«
»Okay, ich hab’s kapiert. Dann geh ich eben zu Fuß.«
»Du willst immer noch bei Theodore Johnson vorbeischauen?«
»Natürlich. Niemand wird Lizzy verklagen, nur weil ich mit ihm rede. Begreifst du es denn nicht? Ruth Fullerton liegt im Sterben. Wenn sie Glück hat, bleiben ihr vielleicht noch drei Wochen, höchstens drei Monate. Seit über zwanzig Jahren zerbricht sie sich den Kopf darüber, was mit ihrer Tochter passiert ist. Johnson hat Carol Fullerton womöglich am Tag ihres Verschwindens gesehen, aber die Bullen haben ihm nie geglaubt, weil er vorbestraft ist. Hast du eine Ahnung, wie viele Menschen da draußen vorbestraft sind?« Hayley beantwortete ihre Frage selbst. »Eine ganze Menge. Wenn Johnson der Täter gewesen wäre, hätte er nie die Polizei kontaktiert. Ich werde nicht zulassen, dass Ruth Fullerton stirbt, ohne zu erfahren, was mit ihrer Tochter passiert ist.«
»Du kennst sie ja nicht einmal.«
»Ich muss sie auch nicht kennen, um ihr helfen zu wollen. Und gerade du«, sagte Hayley bissiger als beabsichtigt, »müsstest eigentlich wissen, wie hart es ist, wenn man nicht weiß, was mit einem geliebten Menschen passiert ist.« Jessica hatte jahrelang nichts über den Verbleib und das Schicksal ihrer Schwester gewusst, bis man ihre Leiche im Garten des Spinnenmanns fand. Wie viele andere, war auch sie dem Serienmörder ins Netz gegangen.
Hayley hatte keine Ahnung, was Jessica dachte. Sie war nicht leicht zu durchschauen. »Ich werde jetzt mit Johnson reden, egal ob ich dein Auto bekomme oder nicht. Außerdem wohnt er gleich bei Farrell um die Ecke.«
Jessica reagierte nicht darauf.
»Farrell«, sagte Hayley noch einmal. »Der Typ, der von der Versicherung Unfallgeld bekommt und schon länger nicht mehr seinen Rasen gemäht hat.«
»Ich weiß, wer er ist. Du brauchst nicht so hochnäsig zu tun.«
Hochnäsig? Reg dich nicht auf, dachte sich Hayley. Jessica konnte ja nichts dafür, dass sie momentan unter Strom stand. In letzter Zeit hatte sie nur wenig geschlafen, was ihre Laune nicht gerade verbesserte. Als sie die Tür öffnete, schlug ihr augenblicklichein Schwall heißer Augustluft entgegen. Hayley musste lächeln, als ihr Jessica – noch bevor die Tür ins Schloss fiel – nachrief, sie möge doch bitte warten.
Von Lizzys Büro waren es gerade mal zwanzig Minuten zu Johnsons Haus, vorausgesetzt, es herrschte wenig Verkehr. Wenn alles glatt lief, dachte Jessica, würden sie es zurück ins Büro schaffen, bevor Lizzy eintraf. Sie bog rechts in die Pine Street, vorbei an heruntergekommenen, eingeschossigen Häusern mit vernachlässigten Gärten.
Hayley und Jessica hatten bis dahin schweigend nebeneinander im Auto gesessen. Das war auch gut so, denn der Motor des Ford Mustangs dröhnte so laut und ohrenbetäubend, dass man sich bei dem Lärm nur schwer unterhalten konnte. Jessica hatte ihren VW-Bus im vergangenen Winter bei einer wilden Verfolgungsjagd zu Schrott gefahren und den 87er-Mustang einen Monat zuvor ihrem Nachbarn Billy Channel, einem achtzigjährigen Mann, für fünfhundert Dollar abgekauft. Die Karre hatte zwar schon fast zweihunderttausend Kilometer auf dem Buckel, aber bei der Probefahrt hatte der Motor geschnurrt wie eine Nähmaschine. Anscheinend war dieser gutmütig dreinschauende Mann, den seine Freunde Billy nannten, doch nicht so nett, wie er aussah. Jessica würde mit ihm reden und hoffentlich ihr Geld zurückbekommen.
Plötzlich deutete Hayley auf ein Haus auf der linken Straßenseite. »Dort wohnt Eric Farrell«, rief sie laut genug, dass man sie trotz des dröhnenden Motors hören konnte.
Der hellblaue Putz bröckelte ab und der asphaltierte Fußweg, der zum Eingang führte, war voller Ölflecken und Risse. Das Haus sah verwahrlost und verlassen aus, die Vorhänge waren zugezogen, das Garagentor verschlossen. Vor dem Haus parkte kein einziges Auto.
Jessica ließ das Fenster auf ihrer Seite herunter.
Ohne die spielenden Kinder zwei Häuser weiter hätte sie geglaubt, durch eine
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