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Schlechte Medizin: Ein Wutbuch (German Edition)

Schlechte Medizin: Ein Wutbuch (German Edition)

Titel: Schlechte Medizin: Ein Wutbuch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunter Frank
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eigentlich Leitlinien erstellen.Wenn es um die beste Behandlung des Patienten geht, darf es nicht um Konsens gehen, sondern braucht es die Fähigkeit zur Selbstkritik und das sofortige Eingeständnis eigener Irrtümer, sollten bessere Argumente vorliegen. Ansonsten geht viel zu viel Zeit verloren, in der Menschen falsch behandelt werden und deswegen sogar sterben.
    So wird derzeit versucht, die NationaleVersorgungsleitlinie zur Diabetes gegen die desaströsen Ergebnisse der großen Langzeitstudien zu verteidigen und deren Auswirkung auf den Umsatzverlust zu minimieren. Spätestens jetzt wird für mich deutlich, dass es bei Leitlinien zu oft nicht um die beste Behandlung der Patienten, sondern um die möglichst breite Behandlung von möglichst vielen Patienten geht, so weit, wie man es gerade noch begründen kann. Und manchmal fällt sogar diese Schamgrenze. Auch wenn es an Hochschulen Professoren gibt, für die das Patientenwohl oberste Priorität hat, so habe ich große Zweifel, dass sie innerhalb der Meinungsführer die Mehrheit darstellen. Die folgenden Kapitel werden diese Vermutung noch untermauern. Die Einberufung der NationalenVersorgungsleitlinien ist deshalb ein Schritt in die richtige Richtung, aber ein kleiner gemessen an den skandalösen Umständen, unter denen Leitlinien entstehen.
    Es wird höchste Zeit, dass wir Ärzte uns sehr ernsthaft und sehr zügig der Frage stellen, ob wir mit den Freiräumen, die uns die Politik gibt, nämlich die Lehrmeinung eigenverantwortlich festlegen zu dürfen, auch verantwortungsvoll umgehen.Wenn wir es nicht bald schaffen, glaubwürdig und patientenorientierter dabei vorzugehen und konsequenter vor allem gegen die Gefahren von Überdiagnosen und Übertherapien anzugehen, kann man mit allem Recht derWelt verlangen, dass diese Aufgabe in Zukunft andere Institutionen übernehmen sollten.
    Ein Quantum Hoffnung: Das IQWiG
    Die oben gestellten Fragen stellt sich zunehmend auch der Staat, zumindest einige vernünftige Leute in einflussreichen Positionen. Und zwar besonders dann, wenn es um die finanziellenAuswirkungen von Überdiagnose und Übertherapie geht.Wenn’s ums Geld geht, werden auch die Krankenkassen zunehmend empfindlicher, es sei denn, es handelt sich um Aktionen, bei denen man sich selbst als Gesundheitsförderer darstellen möchte, etwa den AOK -Powerkids. Im Jahr 2004 wurde das Institut für Qualität undWirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen, kurz IQW i G , mit Sitz in Köln gegründet, welches schon auf Seite63 beschrieben wurde. Es handelt sich dabei um eine Institution, die die Mittel und auch die personelle Ausstattung bekam, um systematische Übersichtsarbeiten durchzuführen und so vernünftige Entscheidungsgrundlagen für medizinische Fragestellungen zu erarbeiten. ImVergleich zu anderen großen Ländern wie Großbritannien hat es lange gebraucht, bis in Deutschland endlich eine derart wichtige Institution eingerichtet wurde. Entscheidend beim IQW i G ist, dass die Ersteller von Gutachten und Übersichten kein Interesse daran haben, ihre eigene Lehrmeinung zu verteidigen, sondern korrekt nach den Regeln der Evidenzbasierten Medizin arbeiten. Das ist für eine offizielle Einrichtung neu. In einem zweiten Schritt werden die Ergebnisse dann sogar noch weiteren Gutachtern zur Gegenprüfung übergeben, und die Resultate werden offen und transparent im Internet (www.iqwiq.de) jedem zugänglich gemacht. Und das, obwohl die Resultate nicht selten eine schallende Ohrfeige für die Platzhirsche des deutschen Gesundheitssystems und ihren jahrzehntelangen Missbrauch wissenschaftlicher Daten sind. Hier ein paar Beispiele:
    Fragestellung: Zusammenhang zwischen Kochsalz und Bluthochdruck (Rapid Report A05-21B, Nichtmedikamentöse Behandlungsstrategien bei Hypertonie: Kochsalzreduktion,Version 1.0, 18. 6. 2009)
    Resultat IQW i G : » Ein Nutzen oder ein Schaden einer kochsalzreduzierten Diät bei Patienten mit Bluthochdruck ist hinsichtlich patientenrelevanter Endpunkte auf Basis randomisierter kontrollierter Studien bislang nicht belegt. «
    Meine Deutung: Freispruch für Salz aus Mangel an Beweisen, die jahrzehntelangeVerteufelung von Kochsalz beruht allein auf Spekulation.Wenn man jahrelang behauptet, Salz fördere den Bluthochdruck, und auch nach 50Jahren keine einzige kontrollierte Studie vorlegen kann, die dies belastbar belegt, dann beweist dies eher, dass die gesamteThese falsch ist.
    Fragestellung: Sport alsTherapie von Bluthochdruck (Rapid Report A05-21D,

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