Schlechte Medizin: Ein Wutbuch (German Edition)
alles öffentlich und trete aktiv dafür ein, sodass dein richtigesTun für jeden erkennbar ist.
Identifiziere Andersgläubige und setze sie unter Druck, denn sie belasten das Gemeinwesen.
Toleriere keineWiderrede und verweise stattdessen auf dieVerantwortung der Menschen für die gesamteWelt.
Diese Gebote spiegeln die 10Regeln für eine gesunde Ernährung der Deutschen Gesellschaft für Ernährung e. V. ( DGE ) wider. Die DGE ist ein gemeinnützigerVerein, der weitgehend von Bund und Ländern finanziert wird. Dafür soll sie die Bevölkerung sachgemäß überdas aktuelle Ernährungswissen informieren.Wer in Deutschland offiziell Programme für gesunde Ernährung fördern möchte, kommt an diesen 10Regeln nicht vorbei.Verstehen Sie mich nicht falsch. Die Menschheit sollte sich durchaus gut überlegen,worin ihreVerantwortung für die Schöpfung liegt. Doch vermeintlich ethische Begründungen hatten auch Kolonialismus,Missionierung oder Diktaturen parat. In der Realität ging es aber immer nur um dieVorteile der herrschenden Gruppe. Und diese führten dann oft genug zum Gegenteil der vorgeschobenen Ziele.
Vor 40Jahren gab es gute sachliche Argumente, auf die wir gleich zurückkommen werden, sich vehement gegen Gesundheits- und Umweltbedrohungen einzusetzen. Heute jedoch haben sich die reinen Moralisten durchgesetzt, gut erkennbar daran, dass sie sich nicht daran stören, dass sich viele ihrer Glaubenssätze durch neue Erkenntnisse als Irrtum erwiesen haben. Gruppenmoral kümmert sich nicht um Redlichkeit oderWahrhaftigkeit, auch dann nicht, wenn aus der eigenen Weltanschauung nur noch hohle Ideologie geworden ist. Es stört nicht, dass sie Gewinner undVerlierer produziert, denn das ist ihr Ziel.
Und die Gewinner sind:
In derWissenschaft: diejenigen, die ihre akademische Karriere nicht auf mühsam erworbenem Fachwissen aufbauen, sondern auf einfach zu erlangenden ideologischen Inhalten, um dadurch einen Platz in der Elite zu erlangen.
In der Gesellschaft: diejenigen, die glauben, dass das Einhalten der neuen Gebote sie dazu berechtigt, sich höherwertig zu fühlen.
Anhänger der Lebensstilmoral können schon heute mit besseren beruflichen Chancen und erhöhtem gesellschaftlichem Ansehen rechnen.
DieVerlierer sind:
In derWissenschaft: diejenigen, die sich in einer akademischen Diskussion oder bei der Besetzung führender Positionen auf den Gebieten der Gesundheit, Ernährung, des Tier- und Umweltschutzes durch Fachwissen und Kompetenz durchsetzen wollen. Sie stehen immer häufiger auf verlorenem Posten.
In der Gesellschaft: diejenigen, die den neuen Geboten nicht entsprechen können oder wollen und deswegen diskriminiert werden.
Die Gebote der Lebensstilmoral halten vor allem Menschen aus unteren sozialen Schichten nicht ein. Sie haben schlichtweg nicht die Mittel dazu und auch ganz andere Sorgen. Sie werden schon heute konsequent von ästhetischen und beruflichen Erfolgserlebnissen ausgegrenzt und müssen zusätzlich die herabsetzenden Belehrungen der Gewinner über sich ergehen lassen. Soziale Diskriminierung und Benachteiligung führen zu hohem emotionalem Stress, machen krank und selektieren in der Folge zwar langsam, aber doch wirksam die » molligen « Gene aus. Denn die schlankeVerkäuferin bekommt den Job, und die mollige bleibt arbeitslos. Dies als Beweis zu nehmen, dass die »ungesunde« Lebensweise der unteren sozialen Schichten tatsächlich zu Krankheit und Übergewicht führt, ist mehr als zynisch. Es handelt sich um knallharte soziale Auslese.
Immer mehr Menschen werden durch diese gesellschaftliche Entwicklung körperlich und psychisch krank, da sie sich durch die öffentlich immer ungenierter zur Schau getragene Arroganz und moralische Überheblichkeit der Lebensstilmoralisten alsVerlierer fühlen. Ich erlebe das häufig in meiner Sprechstunde, und es macht mich wütend. Gute Medizin müsste Menschen, die im Namen der Gesundheit diskriminiert werden, zur Seite stehen. Indem sie mit Fakten und soliderWissenschaft dagegenhält und sich in der öffentlichen Diskussion behauptet. Doch auch in der Medizin selbst findet die Lebensstilmoral immer mehr Anhänger.
Die Wegbereiter
Ende des 19.Jahrhunderts entwickelte sich im wohlhabenden Bildungsbürgertum eine neue Bewegung, die gesunde Ernährung und Lebensstil mit Naturromantik verband, die Bewegung der Lebensreform. Man konnte es sich leisten, Natur als etwas grundsätzlich Gutes anzusehen und Lebensbedingungen einzufordern, die man selbst als
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