Schlechtes Chili - Lansdale, J: Schlechtes Chili - Bad Chili
grauer.«
»Jedenfalls fühl ich mich beschissen. Ich hoffe, du hast reichlich zu essen mitgebracht. Ich bin völlig ausgehungert. Sag mal, solltest du nicht im Krankenhaus sein? Ich meine, wenn ich dich so ansehe, du siehst selbst auch nicht sonderlich gut aus.«
»Ich hab mich erkältet.«
»Du hast das Krankenhaus meinetwegen verlassen, nicht wahr, Hap?«
Ich erzählte ihm, was Charlie mir erzählt hatte. Ich erzählte ihm, wie ich das Krankenhaus verlassen hatte. Ich erzählte ihm, dass Charlie mir etwas Zeit gegeben hatte, den Dingen auf den Grund zu gehen.
»Gottverdammich«, sagte Leonard. »Die ganze Sache hat sich zu einem einzigen großen Fiasko entwickelt.«
»Aber sie ist noch nicht außer Kontrolle geraten. Charlie behält die Zusammenhänge zwischen dir und dem Mord an diesem Biker für sich. Aber nicht ewig. Irgendwann muss er es melden, und kann man ausschließen, dass nicht noch jemand anders die richtigen Schlussfolgerungen zieht? Sobald die Verbindung einmal hergestellt ist, solltest du besser ’ne verdammt gute Vorstellung davon haben, was läuft, und die sollte besser so klar sein wie der helllichte Tag.«
»Ich weiß nicht genau, was läuft.«
»Hast du den Biker umgelegt?«
»Ich hab dir doch gesagt, dass ich niemanden erschossen habe. Ich wusste bis gerade nicht mal, dass der Hurensohn tot ist. Glaubst du, ich würde jemanden umlegen und es dir nicht erzählen?«
»Ich muss das fragen.«
»In Ordnung. Du hast gefragt.«
Leonard schmollte kurz. Ich sagte: »Fang einfach damit an und erzähl mir, was passiert ist. Du hast doch nicht genau geplant, dich in Schweinescheiße zu wälzen, oder?«
»Nein. Das war so ’ne Art natürliches Abfallprodukt meines Abenteuers. Und du kannst mir glauben, ohne dich war es nicht das Wahre. Wir sind wie die Hardy Boys, weißt du?«
»Nein. Ich bin ein Hardy Boy, und du bist Nancy Drew.«
»Das lass ich mal auf sich beruhen. Hap, als wir im Krankenhaus waren und ich das Wartezimmer verließ, hatte ich eigentlich nichts Besonderes vor. Aber der Doc hat sich ’ne Menge Zeit gelassen, und ich dachte, na ja, ich geh raus, hol uns was zu essen und komm dann zurück. Aber so ist es nicht gelaufen. Ich bin losgefahren und konnte mir Raul einfach nicht aus dem Kopf schlagen. Der Junge treibt mich zum Wahnsinn.«
»Sind wir nicht schon etwas zu alt für diese Art Schwärmerei? Für diese ganze wutschnaubende Scheiße?«
»Das würde ich auch sagen, aber ich musste an ihn denken und bin zu mir nach Hause gefahren. Ich dachte, er könnte dort sein. Hätte seinen Spaß mit dem Biker gehabt und wäre zurückgekommen. Abwegige Gedanken, aber das hab ich gedacht. Keine Ahnung, wie ich dazu stehen würde, wenn er zurückkäme, aber ich wollte ihn wiedersehen. So einfach ist das. Der kleine Wichser macht mich total an.«
»Was anmachen betrifft, solltest du’s mal mit Schweinescheiße versuchen. Ich bin erkältet, und der Gestank hat meine Nase frei gemacht. Den Mist auf dem Teppich, das machst du sauber.«
Leonard nickte. »Was hältst du davon, wenn wir zuerst was essen und dann auf die Veranda gehen und uns unterhalten?«
Wir verputzten das mitgebrachte Essen von Taco Bell, und ich öffnete eine Dose Thunfisch und ein Glas Mayonnaise, verrührte einen Esslöffel Mayonnaise mit dem Thunfisch und strich die Masse auf Brot. Leonard aß das Sandwich und dann noch eines. Als er satt war, kochte ich noch eine Kanne Kaffee, und wir gingen mit den Tassen nach draußen.
Die hintere Veranda war nicht toll. Sie stand kurz davor, den Geist aufzugeben. Die Bretter waren grau und stark verwittert, aber die Aussicht war nicht schlecht. Da waren die dunklen Wälder von East Texas unter einem Himmel, der heute eine sonderbare blaue Farbe hatte, die durch den goldenen Glanz der Sonne noch verschönt wurde. Die Wolken schwammen darauf wie Lilien auf einem großen, stillen Ozean. Zur Rechten war ein Bach. Man konnte das Wasser gurgeln hören, als summe eine glückliche Frau vor sich hin. Ein leichter Wind wehte. Draußen konnte man den Schimmel, den Staub und die Schweinescheiße nicht riechen. Leonard erzählte.
»Was ich dir über mich und Raul erzählen wollte, kommt mir jetzt ziemlich unwichtig vor. Nach allem, was passiert ist. Ich kann nur sagen, dass es zwischen uns aus ist. Ich hab wohl schon länger gewusst, dass es mit der Zeit so kommen würde. Wir waren einfach zu verschieden. Er war etwas zu jung für mich. Eigentlich kam er aus einer anderen Welt. Er wollte
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