Schlehenherz
beide Hände. Sie kam einfach nicht weiter.
»Na, Frau Kommissarin, wie läuft es im Fall Viktoria Neubauer?«, dröhnte es von der Tür, die gerade mit Schwung aufgerissen wurde, sodass ein Windstoß einige von Monikas Papieren auf den Boden wirbelte.
»Herr Staatsanwalt, schön Sie zu sehen«, log Monika, während sie sich nach den losen Blättern bückte, die unter ihren Schreibtisch gesegelt waren.
Doch Staatsanwalt Berger gab sich mit der ausweichenden Antwort nicht zufrieden. Als Monika wieder auftauchte, stand er vor ihrem Schreibtisch und trommelte ungeduldig mit den Fingern auf die Platte.
Monika verdrehte im Geiste die Augen. Doch sie kapitulierte und kam seiner wortlosen Aufforderung nach: »Jeder, der die Schülerin kurz vor ihrem Tod gesehen hat, kann ein lupenreines Alibi vorweisen. Bisher konnten wir keine brauchbaren Spuren sichern und auch der Laptop des Opfers ist noch nicht aufgetaucht«, berichtete sie pflichtschuldig.
»Ach, Frau Held, das gibt’s doch nicht«, polterte Berger. »Wir haben inzwischen modernste Technik zur Verfügung, und Sie sagen mir, Sie können nichts finden? Das haben Sie mir schon im Fall der vergewaltigten Schülerin erzählt, eigentlich wollte ich langsam mal etwas Erfolgreiches von Ihnen hören!«
Monika biss die Zähne zusammen, um sich ihren Ärger nicht anmerken zu lassen. Glaubte Berger, sie wäre eine blutige Anfängerin? »Das Mädchen wurde mit ihrem eigenen Schal erwürgt, den der Täter mitgenommen haben muss. Wir konnten lediglich ein paar Fasern von einer Jacke sicherstellen: Massenware, in jedem beliebigen Billig-Klamottenladen von der Stange zu kaufen«, sagte sie und versuchte sachlich zu klingen.
Wohlweislich verschwieg sie ihm, dass ihr Elina May, die Freundin von Viktoria, am meisten Kopfzerbrechen bereitete. Bockig und wortkarg hatte sie hier gesessen und sich nicht ausfragen lassen wollen. Monika hatte den starken Verdacht, dass diese Elina mehr wusste, als sie zugeben wollte.
»Ihnen ist klar, dass wir auf jedes Informationsdetail angewiesen sind, wenn wir den Fall lösen und unseren Mörder fassen wollen?«, plusterte Staatsanwalt Berger sich auf.
Monika nickte ergeben und dachte bitter: Von wegen »unser« Fall und »unser« Mörder. Sie war erleichtert,als Berger die Hand zum Gruß hob und aus dem Büro rauschte.
Monika lehnte sich seufzend zurück und streckte ihren verspannten Nacken. Natürlich musste die Polizei den Mord aufklären, SIE musste ihn aufklären. Sonst war nicht nur ihre Karriere gefährdet, sondern die Kollegen hätten tatsächlich einen Grund, sich das Maul zu zerreißen. Vor allem die männlichen. Die hatten sowieso alles drangesetzt zu verhindern, dass Monika Gruppenleiterin wurde. Dabei konnte sie neben einer mit Auszeichnung abgeschlossenen Ausbildung auch diverse Weiterbildungen vorweisen. Ihre Vorgesetzten beförderten sie also, sehr zum Leidwesen der ehemaligen Kollegen, deren Chefin sie plötzlich war. Wie aufs Stichwort kam Polizeimeister Gasser rein. Das senffarbene Hemd spannte über seinem beachtlichen Bauch und hing nachlässig aus der Hose, die auch schon bessere Zeiten gesehen hatte. Schlankere Zeiten, dachte Monika ironisch, laut sagte sie aber: »Guten Morgen«, wobei sie versuchte gleichzeitig munter und kompetent zu klingen, also das genaue Gegenteil von dem, wie sie sich gerade fühlte.
Gasser nickte nur stumm und zog ein Gesicht, als wäre er Vegetarier und bekäme ein Schnitzel serviert – Abneigung war noch milde ausgedrückt. Er ging zu seinem Schreibtisch und setzte sich. Natürlich mit dem Rücken zu ihr. Monika war klar, dass die Kollegen heimlich über sie lästerten, und sie konnte sich sehr gut vorstellen, welche Worte da fielen. »Singlefrau« und »Karrieretussi« dürfte noch das Netteste sein, was ihnen einfiel. Nur weil Monika abends lange arbeitete und jedes Protokoll noch mal persönlich gegenlas. Was sollte sie sonst tun – nach Hause gehen und stricken? Dort wartete doch nur eine kalte, dunkle Wohnung, in der wenige Möbel standen, weil Monika esnach dem Auszug von Sven bisher nicht geschafft hatte, die Couch und den Schreibtisch zu ersetzen, die er mitgenommen hatte.
»Wir müssen noch mal im Labor anrufen, ob die inzwischen die Auswertung der DNA-Analyse im Fall Viktoria Neubauer schriftlich haben«, sagte Monika zu dem breiten Rücken von Gasser.
Der nickte nur widerwillig, ehe er aufstand und stumm aus dem Zimmer schlurfte. Monika stieß ungeduldig den Atem aus. Sie würde
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