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Schlehenherz

Schlehenherz

Titel: Schlehenherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heike Eva Schmidt
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Till zusammenstand: lachend und in meinem Paillettentop, während ihr die Haare wie eine glänzende dunkelrote Welle über den Rücken flossen. Ihr Blick zumir, das spöttische Lächeln … Meine letzte Erinnerung an Vio, ehe man sie tot unterm Schlehenbaum fand.
    Genau deswegen musste ich jetzt alles dransetzen, ihren Tod aufzuklären. Ich holte tief Luft und stieß die Tür auf.
    »Was machst du denn hier?« Erst tauchte Grovers blaue Haarpracht hinter einem der Bildschirme auf, dann sein erstauntes Gesicht. Kein Wunder, hatte ich den Raum bisher doch nur betreten, weil Informatik Pflichtfach war. Aber selbst jemand mit neun Dioptrien auf jedem Auge konnte sehen, wie mich dieser ganze Computerkram langweilte.
    Im Gegensatz zu Grover, der sich mit Begeisterung in Betriebssysteme und Programmiersprachen vertiefte und mit Begriffen wie JavaScript und Oberon-2 um sich warf. Grover zählte in diesem Fach zu den Cracks – einen deutlicheren Kontrast zu mir hätte es nicht geben können. Während ich noch nach einer plausiblen Erklärung für meinen Besuch im PC-Raum suchte, zog Grover flink einen USB-Stick aus einem der Geräte, den er in der Tasche seiner sorgfältig zerfetzten und gebleichten Jeans verschwinden ließ. Flüchtig streifte mich sein Blick und blieb eine Sekunde an der Stelle knapp unter meiner Kehle hängen: dort, wo Vios Anubis-Anhänger an der Kette baumelte.
    Doch das registrierte ich nur am Rande, denn vielleicht war Grover in diesem Moment nicht das Problem, sondern die Lösung. »Sag mal … kennst du dich mit schülerVZ aus?«, fragte ich vorsichtig.
    »Ob ich mich auskenne ? Schwester, ich bin quasi schülerVZ«, grinste Grover. Und fügte hinzu: »Ich hab schon ein paar Leute ins Forum gebracht. Das geht nämlich nur mit …«
    »… einer persönlichen Einladung eines aktiven Mitglieds, ich weiß«, unterbrach ich ihn ungeduldig. »Kannst du mir auch so was schicken?«
    »Tja, wenn du mich so nett bittest … Da kann ich ja wohl nicht Nein sagen«, meinte Grover und seine Stimme triefte vor Ironie. Trotzdem spürte ich, dass er gekränkt war.
    »Sorry, Grover«, sagte ich ehrlich zerknirscht. Erst jetzt wurde mir klar, wie unfreundlich ich eben geklungen haben musste. Kein »Hallo« beim Hereinkommen, kein »Bitte« bei meiner Frage … Ich benahm mich wie ein Trampeltier.
    Grovers spöttisches Lächeln wich aus seinem Gesicht. »Geht schon in Ordnung, Lila«, erwiderte er freundlich. »Schade übrigens, dass wir nicht mehr in einer Klasse sind. Ist aber bestimmt leichter für dich, jetzt …« Er stockte und zuckte die Achseln, wobei er mich mit seinen grauen Augen mitfühlend ansah.
    Ich spürte, wie in meinem Inneren etwas zu wanken begann. Nur nicht über Vio sprechen, dachte ich, nicht jetzt. Also schüttelte ich nur stumm den Kopf, die Augen schon voller Tränen, aber ich durfte nicht zulassen, dass sie überliefen. Ich wollte vor Grover nicht heulen.
    Offenbar verstand er, denn, ohne mich anzusehen, sagte er betont locker: »Gib mir mal deine Mailadresse, dann beame ich dir ’ne Einladung für unseren elitären Verein rüber.«
    Hastig blinzelte ich die Tränen weg, weil mir siedend heiß etwas einfiel: »Ich … äh … ich hab meine Mailadresse vor zwei Monaten gelöscht«, stammelte ich. In dieser Beziehung war ich überhaupt nicht up to date.
    »Jeder hat heutzutage eine Mailadresse, wir leben schließlich im dritten Jahrtausend, Schatz«, hatte Vio mich erst vor ein paar Wochen aufgezogen, als ich keinen Bock mehr hatte, nur Müll in meinem Freemail-Account vorzufinden.
    Doch ich blieb dabei und meldete mich ab: »Wozu brauch ich so was – damit ich Spams kriege, in denen mir irgendwer gefakte Luxusuhren andrehen will? Nee danke. Für Referate kann ich auch so im Internet surfen. Und wir müssen uns ja wohl nicht mailen, wir sehen uns doch jeden Tag«, hatte ich damals argumentiert.
    Auf Grover musste ich damit wirken wie der letzte Neandertaler. Fehlten nur noch das Bärenfell um meine Schultern und die Keule.
    Doch Grover sagte mit ernster Miene: »Kein Problem, dann schick ich die Einladung mit der nächsten Postkutsche.«
    Damit brachte er mich tatsächlich zum Lächeln. Wahrscheinlich versprach ich deswegen, mir einen neuen Mailaccount zuzulegen. Seine Hilfe beim Einrichten lehnte ich ab. Mich wunderte sein Angebot nicht. Ich ging davon aus, dass Grover einfach nur nett sein wollte.

    Monika Held saß an ihrem Schreibtisch im Kommissariat und stützte seufzend den Kopf in

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