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Schleier der Traeume

Schleier der Traeume

Titel: Schleier der Traeume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynn Viehl
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Rowan.«
    »Hallo, Chef.« Sie war in Jeans und T-Shirt und trug ein blaues Tuch über dem dunklen Lockenschopf.
    Heute wirkte sie jünger, fast halbwüchsig, und das trug zu seiner Beruhigung bei. Verglichen mit ihm war sie ein Kind und brauchte einen Freund nötiger als einen Liebhaber. Das würde er sich von nun an ständig vor Augen halten. »Sie scheinen gut geschlafen zu haben.«
    »Das habe ich«, bestätigte sie.
    Am Vorabend hatte er keine Zeit mit höflichen Fragen oder mit irgendeiner Art von Finessen vertan. Kaum war Rowans Abwehr gefallen, war er aufgestanden und hatte die Hände an ihre Wangen gelegt. Sie hatte ihn mit leerem Blick und geöffneten Lippen angelächelt, und ihre weiche Haut hatte seine Handflächen gewärmt.
    Er hatte ihre Augen betrachtet, während er ihr durchs Haar fuhr, und ihr Gesicht so gedreht, dass die Deckenlampe es in helles Licht tauchte. Sie war ein Mitternachtsjuwel, dieses Mädchen, mit Haut wie ein Mond aus Alabaster und Augen wie Onyxsterne.
    Ihr Mund – weich, zart und ungeschützt – hatte ihn angezogen. Als ihre Lippen sich trafen, atmete sie sanft aus, und er hatte dieses lautlose Seufzen in sich aufgenommen.
    »Sind Sie so weit, mich zur Arbeit einzuteilen?«
    Ihre Stimme versetzte ihn in die Gegenwart zurück. Froh, anderes zu tun zu haben, als sich daran zu erinnern, was er mit ihr gemacht hatte, nahm Dansant eine weiße Schürze aus dem Regal über der Spüle und gab sie ihr.
    »Bevor die anderen kommen, erkläre ich Ihnen den Aufbau der Küche und die einzelnen Stationen und erzähle Ihnen, wie wir hier arbeiten. Die Vorbereitungen beginnen um sieben, und ab neun wird serviert.«
    »Wofür steht die Siebenundsiebzig?«, fragte sie beim Umbinden der Schürze und betrachtete den kleinen Aufnäher.
    »Das ist unser Logo«, erwiderte er. »Das Lokal befindet sich in der siebenundsiebzigste Straße.«
    »So merken sich die Leute, wo Ihr Restaurant liegt – schlau. Sie hätten es auch gleich siebenundsiebzig nennen können. So was behält man leicht,
Murray siebzehn
oder
West zwei
im
Ritz-Carlton

    Er dachte an das, was die Zahl tatsächlich bedeutete. »Mir ist der Name
D’Anges
lieber.«
    »Einem französischen Restaurant schadet er sicher nicht.« Sie strich über die spitz zulaufenden Taschen unterhalb des Taillenbands.
    Er beobachtete ihre Hände und rief sich Rowans Geruch ins Gedächtnis zurück. Ihr Mund war besonders sinnlich und üppig und süß wie Likörkirschen gewesen. Kaum hatte er ihre Lippen das erste Mal geschmeckt, hatte er sie ein zweites und drittes Mal geküsst, bis ein nicht enden wollender, schier besinnungsloser Kuss ihn tief und wild durchfahren hatte wie ein gezacktes Schwert.
    »Dansant?« Als er sie ansah, fragte sie: »Warum servieren Sie erst so spät?«
    Spät? Am Vorabend hatte er sie von der Kiste gehoben und an sich gedrückt und hätte mit ihr tun können, was immer er wollte. Nun musste er mit ihr plaudern, als wäre all das nie geschehen. »Wir servieren so spät, um – äh – die Überpünktlichen abzuschrecken.«
    »Wie bitte?«
    Er war so in Erinnerungen versunken gewesen, dass er Mühe hatte, sich verständlich zu machen. Dabei hatte er das Gefühl gehabt, sich in Rowans Sprache endlich problemlos ausdrücken zu können. »Ich meine diese älteren Leute, die überall als Erste auftauchen und dafür Rabatt erwarten.«
    Sie lächelte strahlend. »Frühbucher.«
    »Genau.« Er wandte sich ab, um nicht auf ihren Mund zu starren.
    Letzte Nacht hatte er sie unbedingt küssen wollen. Die Lust hatte so sehr von ihm Besitz ergriffen, dass er nicht mehr daran dachte, dass er sie eigentlich ins Haus gebracht hatte, um sie zu versorgen, und so etwas hatte er noch nie erlebt. Er war nicht aus freien Stücken in dieses Land gekommen, hatte dieses Dasein nicht freiwillig begonnen, sondern weil ihm keine Wahl geblieben war. Dass er Abend für Abend erwachte und noch immer zu leben vermochte, kam ihm jedes Mal, wenn er die Augen aufschlug, wie ein Wunder vor.
    Nachdem er erfahren hatte, was ihm in Frankreich widerfahren war, hatte er nie gewagt, mehr zu erhoffen.
    Und nun war diese Frau in sein Leben eingebrochen und sah ihn an, ohne zu wissen oder auch nur zu ahnen, was er war und nie wieder sein würde.
    »Keine Frühbucher«, sagte sie. »Verstanden.«
    Er musste sich etwas von ihr entfernen, um nicht der Versuchung zu erliegen, sie zu berühren, und stattdessen die Farce weiterzuspielen, nach der sie für ihn arbeitete, um ihre

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