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Schleier der Traeume

Schleier der Traeume

Titel: Schleier der Traeume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynn Viehl
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Köche.
    Vinces grausamer Streich, sie einen glühenden Grillrost aufheben zu lassen, wiederholte sich nicht, und dass sie darüber geschwiegen hatte, schien ihr den Respekt der anderen Köche einzutragen. Lonzo verlor nie ein Wort darüber, aber nachdem alle beobachtet hatten, wie Vince am Ausweidetisch fast fünfzig Kilo Fisch ausnahm, war das auch nicht nötig. Im Gegenzug achtete Rowan darauf, dass der
garde-manger
nie auf etwas warten musste, das er angefordert hatte.
    Allmählich begriff sie, was die einzelnen Köche zu tun hatten und wie sie es taten, und nachdem sie überdies einige Kniffe aufgeschnappt hatte, war sie sich nach einer Woche sicher, die meisten Männer unter den Tisch kochen zu können. Doch sie störte sich nicht an ihrem niedrigen Status, denn als Ausgleich für all ihre Hol- und Bringdienste sah sie Dansant jeden Abend mindestens eine Stunde lang beim Kochen zu.
    Sie kam zu dem Schluss, dass niemand dem Küchenchef das Wasser reichen konnte. Er führte seine Messer wie ein Chirurg und schnitt, hackte und filetierte in beängstigendem Tempo und mit ungemeiner Genauigkeit. Und seiner Nase blieb nichts verborgen, weder ein angefaultes Salatblatt noch eine Partie
Crème brûlée
, die im Herd anzubrennen drohte. Nicht einmal Lonzo, der begnadete Hände und zudem – was die Garzeiten betraf – eine fast übernatürliche Intuition besaß, konnte da mithalten.
    New Yorks wahnsinnig edle Restaurantszene hatte sich seit der Zeit, zu der Rowan um solche Lokale herumgelungert hatte, nicht sehr verändert, doch sie staunte über den Erfolg des
D’Anges
. Es war jeden Abend voll besetzt, und stets wurden mindestens hundertfünfzig Mahlzeiten serviert. Sie hatte einen heimlichen Blick ins Lokal geworfen, als alle am essen waren, und viele zufriedene und gelöste Gesichter gesehen. Obwohl die Einrichtung aussah wie in jedem anderen Spitzenrestaurant, war die Atmosphäre so warm, persönlich und entspannt, wie Dansants erstaunliche Küche köstlich war.
    Das alles erschien ihr etwas zu schön, um wahr zu sein.
    Sie erfuhr, dass die Gäste Monate im Voraus reservieren mussten, und ein Platz an Dansants wöchentlicher Tafelrunde gehörte zum Begehrtesten, was die Stadt zu bieten hatte. Er drehte jeden Abend einige Runden durchs Lokal, und manchmal sah Rowan, wie Frauen ihn mit Lob überhäuften. Ihr wurde dabei immer etwas übel.
    Sie gestand sich ein, dass die Begeisterung ihrer Geschlechtsgenossinnen für ihren Chef sie etwas eifersüchtig machte. Und sie bedauerte sie auch. Das Unerreichbare zu begehren – dies immerhin hatte ihre heimliche Liebe zu Matthias sie gelehrt – war so dumm wie die Hoffnung, vielleicht doch eine Chance darauf zu haben, und bei Dansant konnte allenfalls unerwiderte jugendliche Schwärmerei dabei herauskommen.
    Rowan fürchtete, ihr Interesse würde ihren Chef stören, doch der schien froh zu sein, sie um sich zu haben, und erklärte ihr beim Kochen bereitwillig, was er tat. Außerdem bestand er darauf, dass sie praktisch alle Gerichte kostete, die er zubereitete, und während sie nippte, kaute und genoss, fragte er sie nach den verwendeten Zutaten. So lernte sie, dass dreierlei Schnecken für
escargots
infrage kamen und dass der amerikanische Wein, den sie als Chablis kannte, gegenüber französischen Weinen dieses Namens heillos abfiel.
    »Die
escargots
, die wir zum Kochen nehmen, heißen im Frühling
coureurs
oder Läufer«, erklärte Dansant, »und im Sommer
voilés
oder Verschleierte.«
    »Und im Winter?«, fragte Rowan neugierig.
    »
Operculés
– Bedeckte. Sehen Sie?« Dansant zeigte ihr ein Schneckenhaus und fuhr mit dem Finger über die Membran, die die Öffnung versiegelte. »So schützen sie sich während des Winterschlafs und enthalten darum mehr Flüssigkeit als im Frühling oder im Sommer. Deshalb sind sie für alle Gerichte am besten geeignet.«
    Rowan hatte sich noch immer nicht daran gewöhnt, dass die Köche im
D’Anges
ihre Schnecken lebendig hielten, bis es Zeit war, sie zuzubereiten. Obwohl der gegenwärtige Vorrat unter einer dicken Schicht Weinblätter in einem Terrarium überwinterte, bereitete die Vorstellung, sie könnten während der Arbeit um die Kochstationen kriechen, ihr Gänsehaut. Und obwohl sie nicht empfindlich war und ein Feinschmeckermahl nie ablehnen würde, war sie doch sicher, sich nicht zu
escargots
überwinden zu können – egal, wie feucht sie waren und wann man sie zubereitet hatte.
    Dansant war nicht beleidigt, als sie sich

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