Schleier des Herzens (German Edition)
man auf dem Marktplatz gevierteilt hat!«
»Ach, komm, Beatriz, das ist doch Unsinn. Mammar ist ein Verräter, ein Thronräuber, das weiß jeder. Ob er nun gevierteilt wird oder nicht. Ali wird mit dem Erbe leben müssen. Aber das muss auch Achmed, und er ist ein ehrenwerter,geachteter Mann.« Amir stand auf und begann, sich anzukleiden.
»Achmeds Mutter flehte mich an, um Mammars Leben zu bitten. Sie sagt, sie will mit ihm ins Exil gehen, sie will als Bettlerin leben, wenn sie ihn nur behalten darf. Wer liebt, Amir, muss sie verstehen ...« Beatriz setzte sich auf, und Amir sah ihre weißen Brüste, an denen rosa Blütenblätter klebten. Es sah rührend aus, ein Bild aus dem Paradies.
Amir konnte sich nicht daran satt sehen, aber zuerst musste diese Sache geregelt werden.
»Pass auf, Beatriz, ich mache dir einen Vorschlag. Ich begnadige den Kerl. Er wird nicht in Stücke geschnitten, nur geköpft. Das ist ein verhältnismäßig ehrenvoller Tod. Bei Euch Christen, so weit ich weiß, dem Adel vorbehalten.« Amir nahm die Rosenblätter von ihren Brüsten und spürte, wie sein Geschlecht sich schon wieder regte.
Beatriz zog ihn zu sich hinunter.
»Auch ein rascher Tod ist ein Tod und reißt den Mann von der Seite seiner Gattin. Er hat seine Hand verloren, seine rechte Hand. Ist das nicht genug?«
Amir konnte nicht anders als ihre Brüste zu küssen. Er war erneut bereit für die Liebe. Noch nie hatte eine Frau ihn so erregt.
»Ich verliere mein Gesicht, wenn ich ihn begnadige«, sagte er und atmete heftig.
»Du erweist deiner Dame Ehre, indem du deinen Stolz ihrem Wunsch unterordnest. Das edelste Ziel des Ritters.« Beatriz küsste seine Schultern und seine Brust.
»Vielleicht in Kastilien ...«
»Haben wir nicht auch schöne Bräuche in Kastilien?«
Beatriz presste sich an ihn; es war ihr schon so vertraut, ihn in sich zu spüren, und doch war das Erlebnis jedes Mal anders. Diesmal nahm er sie schnell, fast trotzig, undlag hinterher schweißbedeckt und schwer atmend neben ihr.
Beatriz wischte ihm den Schweiß mit Blütenblättern von der Stirn.
»Was ist nun mit meiner Morgengabe?«, fragte sie leise. »Ich kann es dir nicht erklären, aber dies hier, all dies verdanken wir irgendwie auch Soraya. Sie sagt, dass die Liebe uns frei macht, alles zu tun, was wir wollen. Wahre Liebe soll das Gute in uns wecken ...«
Amir sah in ihr offenes, zärtliches Gesicht.
›Die Liebe soll das Gute in uns wecken ...‹ Welch ein Unterschied zu Zarahs dunklen Gelüsten, ihre Hingabe an der Schwelle zur Höllenglut! Amir atmete Beatriz’ süßen Duft tief ein und fühlte sich reingewaschen durch ihre Freundlichkeit.
»Deine Bitte ist gewährt«, sagte er schließlich. »Morgen, sobald es hell genug ist, um einen dunklen von einem weißen Faden zu unterscheiden, wird man Mammar al Khadiz nackt und bloß auf die Straße werfen. Deine Soraya soll ihn sich holen, aber ihr ist nicht mehr gewährt als ein Eselskarren. Damit wird er Granada verlassen, bevor die Sonne gänzlich aufgegangen ist. Innerhalb einer Woche will ich die Bestätigung, dass der Verräter sich nach Afrika eingeschifft hat. Ist das nach deinen Wünschen?«
»Ich liebe dich«, sagte Beatriz.
Im Zwielicht des nächsten Morgens sahen Amir und Beatriz von ihrem Dachgarten aus zu, wie zwei Henkersknechte den früheren Wesir in die Gosse vor dem Palast schleiften. Der alte Mann half dabei kaum mit, aus der Entfernung war nicht zu erkennen, ob er tot oder lebendig war, erst als sein Armstumpf auf dem Boden schleifte, war eine schmerzliche Bewegung erkennbar. Soraya, die im Schatten gewartet hatte, brüllte die Männer an.
Beatriz beobachtete, wie sie sich besorgt über ihren Gatten beugte, seine Blöße bedeckte und ihm schließlich mühsam auf den Karren half, den sie mit Decken gepolstert hatte. Sie führte den Esel selbst, einen Diener hatte man ihr nicht zugestanden. Tapfer schritt die tief verschleierte Frau aus, ihre Füße waren das harte Pflaster sicher nicht gewöhnt, aber sie hielt sich aufrecht und bewegte sich mit der Anmut einer Prinzessin.
»Welches Schicksal erwartet sie in Afrika?«, fragte Beatriz beklommen. Sie konnte für Mammar kein wirkliches Mitleid empfinden, sah sich eher von einer Last befreit. Aber um Soraya sorgte sie sich.
Amir zuckte die Schultern. »Kein freundliches, stelle ich mir vor. Verräter sind nirgendwo gern gesehen, und Mammars Ruf wird ihm vorauseilen. Ein höheres Amt wird er niemals mehr bekleiden, und eine seiner
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