Schleier des Herzens (German Edition)
Bildung gemäße Arbeit als Schreiber oder Bibliothekar kann er als Einarmiger auch nicht ausfüllen. Es wird an Soraya hängen bleiben. Vielleicht findet sie eine Stellung als Schreiberin. Auf jeden Fall wird sie auf ihre alten Tage noch lernen, ihr Wasser selbst vom Brunnen zur Küche zu tragen ... Im Harem ihres Sohnes hätte sie es leichter gehabt. Ein schweres Opfer für eine Liebe.«
Beatriz schmiegte sich an ihn. »Kein Opfer ist zu groß für eine Liebe«, sagte sie sanft und musste lachen. »Es ist schon komisch: Ich bringe für dich das Opfer, im Harem zu leben, und Soraya wird es bitter, ihn zu verlassen. Das Leben spielt sonderbare Spiele mit uns.«
»Allahs Wege sind unerforschlich ...« Amir legte den Arm um seine Geliebte und ließ die flache Hand über ihren Rücken kreisen. Er spürte, dass sie erschauerte, als er die Hand tiefer wandern ließ. »Aber ist es wirklich solch ein Opfer für dich, in meinen Frauengemächern geliebt und verwöhnt zu werden? Als meine Gattin wirst du hochgeehrt sein, alle anderen Mädchen sind dir untergeordnet. Ein Wort von dir, und du kannst haben, was du willst ...«
Beatriz seufzte und rieb sich an seiner Hand. »Nur nicht gehen, wohin ich will, meine Familie niemals wieder sehen ... Aber reden wir nicht mehr davon, ich habe Kastilien schon vergessen ... wenn du so weiter machst, werde ich mich gleich auch nicht mehr an meinen Namen erinnern ...«
Sie schafften es gerade noch, sich von den Zinnen des Gartens zurückzuziehen, bevor sie erneut, gebettet auf duftendes Zitronengras, übereinander herfielen. Diesmal liebten sie sich schnell, voller Hunger, um die Angst vor der Endlichkeit des Glücks niederzukämpfen. Beatriz vergaß Soraya und Mammar, Amir vergaß die bohrenden Zweifel, die sie eben in ihm erweckt hatte. Er wollte Beatriz glücklich sehen, aber sie empfand den Harem nach wie vor als goldenen Käfig. Noch immer träumte sie davon auszubrechen, und sie würde die Hoffnung darauf erst begraben, wenn sie ihm das Ja-Wort gegeben hatte. Er war dabei, die Sonne in ein Gefängnis zu sperren. ...
Sechzehntes Kapitel
Beatriz hatte die Privatgemächer des Emirs seit zwei Tagen und Nächten nicht verlassen. Sie fühlte sich hier glücklich und sicher, lebte fast ihren Traum von der ganz normalen Ehe mit einem ganz normalen Mann. Wenn Amir seinen Regierungsgeschäften nachging, vergnügte sie sich in seinen Bädern oder spielte im Garten die Laute. Kam der Emir zu ihr, so hatte sie ihm bereits ein Bad bereitet oder andere Vorkehrungen zu seiner Zerstreuung getroffen. Beide waren selig, aber Beatriz wusste natürlich, dass es auf Dauer nicht so bleiben konnte. Früher oder später – und wahrscheinlich eher früher, schließlich wollte sie auf keinen Fall warten, bis Amir sie hinauswarf! – musste sie in den Harem zurückkehren. Das aber bedeutete, dass sie Zarah gegenübertreten, ihre Wut und Eifersucht spüren musste.
Amir lachte, als sie ihm davon berichtete.
»Was soll sie dir denn tun, meine Sonne? Die Eunuchen haben den Auftrag, dich sorglich zu bewachen, jede deiner Speisen wird vorgekostet. Zudem wird sich Zarahs Eifersucht in Grenzen halten. Sie konnte nie damit rechnen, meine einzige Gemahlin zu bleiben, und sie wurde in diesem Wissen erzogen. Für eine Maurin ist es völlig normal, sich den Mann mit anderen zu teilen. Auf meine Konkubinen war sie doch auch nie eifersüchtig.«
Beatriz nahm die Sache nicht so leicht. Skeptisch runzelte sie die Stirn.
»Für eine Frau wird es niemals normal sein, ihren Mann zu teilen«, erklärte sie. »Das ist keine Frage der Erziehung, das ist eine Frage des Gefühls. Wer wirklich liebt, will den anderen für sich allein. Oder würdest du mich gern mit anderen Männern teilen?«
Amir zog sie zärtlich in die Arme. »Das ist etwas anderes,meine Sonne ... Allein der Gedanke, ein anderer könnte auch nur einen Hauch deines Atems zu spüren bekommen, macht mich wahnsinnig! Komm, lass mich dich noch einmal lieben, lass mich mein Siegel auf dich drücken, meinen Samen in dich pflanzen. Ich wünsche mir nichts sehnlicher als ein Kind von dir!«
Und Zarah geht das wahrscheinlich genauso, dachte Beatriz, bevor sie in den Fluten der Leidenschaft ertrank. Und die ist dem Wahnsinn sowieso recht nahe ...
Als sie am Abend in den Harem zurückkehrte, klopfte ihr Herz bis zum Hals. Aber es waren nur Susanna und Ayesha, die sie in ihren Räumen empfingen. Beide schmiedeten Heiratspläne, Ayesha für sich und Hammad, Susanna
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