Schleier des Herzens (German Edition)
mühsam eingeflochtenen Schmuck herausreißen. Energisch drückte ihr Susanna die Hände in den Schoß.
»Nun haltet still, damit ich meine Arbeit tun kann!«, ermahnte sie das Mädchen. »Und beruhigt Euch, Euer Herr Mammar hat bislang nur eine Gemahlin, die Herrin Soraya. Ihr wäret die Zweite.« Susanna steckte die letzte Haarsträhne fest und betrachtete wohlgefällig ihr Werk.
»Und Ihr könntet es schaffen«, meinte sie dann mit einem Blick auf Beatriz’ Funken sprühende Augen, ihren leuchtend klaren Teint und das fein geschnittene Gesicht unter der kunstvoll aufgesteckten Haarpracht. »Ihr seid unglaublich schön, jeder Mann würde Euch verfallen. Wer weiß ... wenn Ihr noch die Ehre haben solltet, Eurem Herrn ein Kind zu schenken, womöglich einen Sohn ...«
»Wie oft soll ich es noch sagen? Ich will diesen Mammar nicht heiraten ! Und schon gar keine Kinder von ihm! Niemand kann mich zwingen, ich ...« Beatriz wehrte sich heftig, als Susanna einen hauchdünnen Schleier über ihrem Gesicht befestigen wollte. »Man hat mich schon einmal fast vergewaltigt, ich verstehe zu kämpfen!« Beatriz sprach fest und entschlossen. Sie versuchte nicht daran zu denken, wie hilflos sie in Wirklichkeit gewesen war.
»Niemand wird Euch zwingen, Kind«, begütigte Susanna und schob den Schleier streng an seinen Platz. »Die maurische Soldateska ist zwar genauso wie jede andere in der Welt, aber ein Edler wie Euer Herr würde Euch niemals Gewalt antun. Das verbieten ihm seine Religion und seine Ehre. Doch er wird Euch umwerben wie eine Königin.Irgendwann werdet Ihr Euch ihm freudig schenken, da bin ich sicher.«
»Ich nicht!«, erklärte Beatriz und sprang auf. Ihre Schleier umwehten sie dabei wie eine duftende Wolke, ihre Augen glühten. »Ob er mich verwöhnt oder mit feurigen Zangen foltert, ich unterwerfe mich nicht! Soll er umwerben, wen er will, ich gehöre mir und nur mir allein!«
Mammar al Khadiz stand hinter dem vergitterten Fenster und beobachtete ihren furiosen Abgang. Sein Herz brannte für diese wilde Schönheit, wie es seit Jahren nicht entflammt gewesen war. Er musste sie für sich gewinnen!
»Wo führst du mich jetzt hin?«, fragte Beatriz misstrauisch.
Susanna hatte ihr zunächst Zeit gegeben, sich zu beruhigen, sie dann aber derart schön hergerichtet, dass sie davon ausging, jetzt ihrem Herrn präsentiert zu werden. Gestern hatte die Zofe zwar behauptet, Mammar werde ihr Zeit zur Eingewöhnung geben, aber eine Garantie war das natürlich nicht.
»Die Herrin Soraya möchte Euch sehen«, erklärte Susanna. »Sie erwartet Euch in ihren persönlichen Räumen, eine solche Einladung ist selten. Behandelt sie um Himmels willen ehrerbietig. Wer klug ist, macht sich die Gemahlin des Herrn zur Freundin.«
So etwas hatte auch Ayesha schon gesagt. Nun, in diesem Fall bestand ohnehin keine Gefahr der Rivalität. Beatriz wollte nichts von Sorayas Gatten, und das gedachte sie der Herrin auch zu sagen.
Susanna führte sie erneut durch die verschlungenen Korridore und Gärten des Harems, die jetzt aber erheblich bevölkerter waren. In den Bädern und Musikräümenbrodelte es vor Leben, Mädchen sangen und spielten Gitarre und Laute, andere plauderten bei Kaffee und Gebäck. Wenn Susanna mit Beatriz vorbeiging, verstummte jedoch meist das Gespräch. Die Frauen gafften ungeniert. Ein zierliches, hellblondes Mädchen kicherte hinter Beatriz’ Rücken und flüsterte mit ihren Freundinnen. Das Mädchen trug aufreizende, durchsichtige Gewänder, aber die Brüste, die sich darunter abzeichneten, waren kaum mehr als Knospen. Das ausgelassene kleine Ding konnte höchstens vierzehn Jahre alt sein.
»Was sagt sie?«, fragte Beatriz nervös. So langsam machte es sie rasend, dass sie hier kein Wort verstand.
Susanna lächelte. »Sie hat ihrer Freundin verraten, dass der Herr gestern Nacht zu ihr kam, nachdem er dich gesehen hatte. Sein Geschlecht sei zu den Maßen eines Hengstes angeschwollen, und sie habe ihn noch dreimal erregen können, einfach dadurch, dass sie etwas Spanisch mit ihm sprach. Doch jedes Mal, wenn er kam, hätte er deinen Namen gerufen.«
Beatriz wurde glühend rot. In ihrer Heimat wäre es undenkbar gewesen, so schamlos über die Nächte mit seinem Gatten zu berichten. Andererseits teilte man sich den Gatten dort ja auch nicht mit einer Freundin ...
Inzwischen öffnete Susanna eine Tür aus feinsten Hölzern, die den allgemeinen Haremsbereich von Sorayas Privaträumen abtrennte.
Der Luftzug beim
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