Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schleier und Schwert

Schleier und Schwert

Titel: Schleier und Schwert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: brisbin
Vom Netzwerk:
die Wahrheit ans Licht kam. Margriet konnte nur hoffen, dass Finn zu seinem Wort stand und bereits dabei war, die Dinge in Ordnung zu bringen, damit er mit ihrem Vater die Vorkehrungen für ihre Hochzeit treffen konnte.
    Und Finn liebte sie auch. Tief in ihrem Herzen wusste sie es. Und sie glaubte, dass der Schwur, den er ihr geleistet hatte, so bindend war wie ein Verlöbnis. Finn liebte sie. Und wenn sie sich ihm in jener Nacht mit Seele und Körper hingegeben hatte, dann nur, weil sie seinen Worten glaubte. Er war ein reicher Kaufmann und würde in den Augen ihres Vaters ein akzeptabler Gatte für sie sein. Er würde sie heiraten, und gemeinsam würden sie ihr Kind aufziehen. Er liebte sie und würde zu ihr stehen.
    Margriets Herz begann zu hämmern. Ihr Magen brannte, als der bittere Geschmack des Zweifels in ihr aufstieg. Warum war er denn dann so rasch verschwunden? Wieso war er ohne ein Wort gegangen, abgereist, ohne ihr ein Zeichen seiner Liebe und seiner Schwüre zu hinterlassen? Nachdem ein Bote aus dem Süden aufgetaucht war, hatte sich etwas zwischen ihnen verändert. Innerhalb von zwei Tagen war Finn fortgegangen.
    Margriet sehnte sich nach einer Vertrauten, mit der sie ihre Sorgen und Ängste hätte teilen können.
    Sich ihre Geschichten von Liebe und verlorener Tugend anzuhören, dafür waren die Klosterschwestern gewiss nicht die Richtigen. Selbst als sie mit der Köchin sprach, einer Frau, die fünf Kinder geboren hatte, brachte sie es nicht über sich, von Herzensdingen zu reden. Denn sie war aus einer adligen Familie, ihr Vater ein Mann von Ehre, von hohem Stand und
     
    Und sie hätte es besser wissen müssen. Sie hätte nicht ohne den heiligen Bund der Ehe bei einem Mann liegen dürfen.
    Die umfassende Bildung, die sie in Sprachen, in Mathematik und sogar in einigen Unterrichtsfächern, die man bei einer Frau für überflüssig hielt, erhalten hatte, hatte sie anscheinend nicht auf den unerwarteten Angriff eines charmanten, hübschen und reichen jungen Mannes vorbereitet, der es liebte, der Leidenschaft zu frönen. So lange schon hatte die Familie sich nicht um sie gekümmert, so lange war sie schon von zu Hause fort gewesen. Sie war keines vernünftigen Gedankens mehr fähig gewesen, als sie seine Liebesschwüre hörte und er von einer gemeinsamen Zukunft sprach.
    Finn beantwortete alle ihre Fragen nach der Welt außerhalb der Klostermauern. Zum ersten Mal, seitdem ihre Mutter gestorben und sie hierher verbannt worden war, gab ihr jemand das Gefühl, wichtig zu sein. Und wenn sie ein wenig vernarrt gewesen war und das Törichte ihres Handelns nicht erkannt hatte, nun, wenn sie jetzt auf diese zauberhaften Tage zurückblickte, wurde ihr alles klar.
    Margriet rollte sich auf die Seite und schob eine Hand unter ihre Wange. Während sie sich daran erinnerte, wie erregend leidenschaftlich seine Berührungen und Küsse gewesen waren, spürte sie ein Kribbeln in den Lippen, und ihr Herz pochte heiß und voller Leben. Wie hätte sie widerstehen können, wo er doch Dinge tat, von denen sie sich nie hätte vorstellen können, dass sie zwischen einem Mann und einer Frau geschehen konnten? Selbst jetzt, wo Zweifel sie quälten, antwortete ihr ganzer Körper allein schon auf ihre Erinnerungen.
    Männer waren wirklich seltsame Wesen – ehrenhaft, wenn es ihren Zielen diente, stark, wenn sie es sein mussten, und raffiniert, wenn Arglist über Stärke triumphierte. Sie dachten nicht wie eine Frau oder erwarteten vom Leben die gleichen Dinge, die eine Frau sich wünschte und die sie brauchte. Wenn sie die Männer betrachtete, die sie begleiteten, dann konnte Margriet noch mehr Unterschiede zwischen Männern und Frauen und auch Unterschiede innerhalb der Männergruppe erkennen. Da Margriet als einzige Vertreter des anderen Geschlechts nur jene Männer gekannt hatte, die im Kloster lebten – Alte, Blinde und Krüppel –, gab ihr der Anblick dieser jungen, gesunden, robusten und muskulösen Krieger, die nichts und niemanden fürchteten, zu denken.
    War es also nicht verzeihlich, dass sie, als sie Finn begegnete, noch nicht so viel Verstand und Klugheit besessen hatte zu erkennen, was für eine Sorte Mann er war? Der Allmächtige würde das doch sicher in Betracht ziehen, auch wenn ihr Vater es vielleicht nicht tat?
    Das jämmerliche Gefühl in ihrem Magen wuchs, während sie spürte, wie ihre Zweifel stärker wurden. Jeder Gedanke und jede Erinnerung brachte Erkenntnis und Einsicht
    und Schuldgefühl und Scham.

Weitere Kostenlose Bücher